Die ESA-Raumsonde Mars Express hat bei einem nahen Vorbeiflug am Marsmond Phobos erstmals hochauflösende Bilder seiner Südhalbkugel geliefert. Die Aufnahmen der Stereokamera HRSC sind so genau, dass sogar ein etwa hausgroßer Felsblock auf der Oberfläche des unregelmäßig geformten Marstrabanten deutlich zu erkennen ist. Die Bilder liefern unter anderem wichtige Informationen für die russische „Phobos Grunt“-Mission, die in gut einem Jahr auf dem Marsmond landen soll.
Die Raumsonde Mars Express der europäischen Weltraumorganisation ESA fliegt in einer elliptischen Umlaufbahn um den Roten Planeten. Dabei entfernt sie sich regelmäßig vom Mars und nähert sich dabei im Schnitt alle fünf Monate auch den Marsmond Phobos an. Dieser umrundet den Mars in etwa 6.000 Kilometern Entfernung von der Oberfläche des Planeten. Bei der letzten einer Serie von acht Begegnungen mit Phobos erfasste die hochauflösende Stereokamera HRSC den Marstrabanten in bisher höchster Auflösung.
Dabei flog die Sonde Mars Express am 9. Januar 2011 in nur 100 Kilometern Entfernung an Phobos vorbei und nahm die Südhemisphäre des unregelmäßig geformten Monds auf. Mit den Aufnahmen dieses Vorbeiflugs konnten die Wissenschaftler große Teile der Südhemisphäre des Mondes erstmals in einer Auflösung von 3,8 Metern pro Pixel aufnehmen. Dabei scannte die Stereokamera HRSC den etwas über 20 Kilometer großen Marsmond mit fünf der neun Sensoren, die auf der Kamera hintereinander angeordnet sind. Gerade einmal eine Minute waren die Sensoren insgesamt angeschaltet, für jeden Sensor war Phobos nur neun Sekunden im Blickfeld.
Schwenk und komplizierte Berechnungen
Um bei der hohen Geschwindigkeit im Vorbeiflug möglichst scharfe Aufnahmen zu erstellen, musste die Marssonde während des Rendezvous mitschwenken. Für die Berechnung dieses komplizierten Manövers berücksichtigten die Wissenschaftler die Bahn des Mondes ebenso wie die exakte Bahn der Mars Express Sonde, die die ESA aus einer Vielzahl von Parametern bestimmt. Eine Korrektur während der kurzen Aufnahme war dabei nicht möglich, da zum Zeitpunkt der Annäherung die Steuerungssignale von den Bodenstationen der Erde zur Sonde im All 19 Minuten und 47,4 Sekunden benötigt hätten.
Das Manöver funktionierte am 9. Januar jedoch problemlos. Und dennoch: „Die maximale Geschwindigkeit, mit der die ESA den Mars-Orbiter während des Vorbeiflugs drehen kann, beträgt 0,15 Grad pro Sekunde. Idealerweise hätte man die Sonde jedoch bei der hohen Vorbeiflug-Geschwindigkeit mit 0,26 Grad pro Sekunde drehen müssen“, erklärt Klaus-Dieter Matz vom DLR-Institut für Planetenforschung, der für die Planung der Aufnahme verantwortlich war. Der dadurch verursachte Effekt wurde anschließend bei der Bilddaten-Prozessierung ausgeglichen.
Krater, Rillen und ein hausgroßer Felsblock
Gut zu erkennen auf den Aufnahmen sind die zahlreichen Krater und die so genannten „Grooves“ –
Rillen, deren Entstehung bisher noch ungeklärt ist. An einer Stelle konnte sogar ein etwa hausgroßer
Felsblock entdeckt werden, der auf der Oberfläche von Phobos liegt und einen markanten Schatten wirft. „Mit jeder Phobos-Aufnahme der Stereokamera können wir das dreidimensionale Modell des Marsmondes verbessern“, erklärt Professor Jürgen Oberst vom DLR-Institut für Planetenforschung. „Vor allem helfen uns die neuen Bilddaten, das globale Bildermosaik des Marsmondes ständig weiter zu entwickeln, um am Ende daraus einen Atlas von Phobos ableiten zu können“.
Wichtige Informationen für Phobos-Landemission
Wichtig ist die Auswertung der Aufnahmen unter anderem für die russische Mission „Phobos Grunt“, die im November 2011 zu Phobos startet („Grunt“ bedeutet im Russischen „Boden“). Die Mission sieht unter anderem vor, dass ein Landemodul auf dem Marsmond aufsetzt, Gesteins- und Staubproben mit einem Roboterarm einsammelt und diese in einer Rückkehrkapsel zurück zur Erde transportiert. Das Landemodul selbst soll dann noch ein Jahr lang von der Phobos-Oberfläche aus wissenschaftliche Messungen in der Marsumgebung vornehmen.
(Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), 24.01.2011 – NPO)