Schon vor 25 Jahren entdeckten Forscher einen besonders großen Ionenkanal in Herzmuskelzellen, dessen Identität seither ein Rätsel war. Jetzt haben Bochumer Wissenschaftler endlich das Geheimnis gelüftet: Es handelt sich um den Pannexin-1-Kanal, der erst vor wenigen Jahren erstmals beschrieben wurde. Er kommt unter anderem im Gehirn vor und wird dort zum Beispiel für epileptische Ereignisse verantwortlich gemacht.
Wie die Forscher um Professor Dr. Lutz Pott und Professor Dr. Rolf Dermietzel von der Ruhr-Universität Bochum (RUB) im „Journal of Biological Chemistry“ mutmaßen, könnte er auf ähnliche Weise auch an der Entstehung von Herzrhythmusstörungen beteiligt sein.
Großer Kanal, schnelle Signalweiterleitung
Das erst vor wenigen Jahren entdeckte Pannexin-1-Kanalprotein ist Mitglied einer Familie von Proteinen, die am Aufbau von elektrischen Schaltstellen zwischen Nervenzellen – Synapsen – beteiligt sind. Durch das kontrollierte Öffnen und Schließen ermöglicht der Kanal den Ausstrom geladener Teilchen und somit zum Beispiel im Gehirn oder der Netzhaut des Auges die besonders schnelle Weiterleitung elektrischer Signale.
Eines der charakteristischen Merkmale dieser Kanäle ist ihre außergewöhnliche Größe. Werden sie unkontrolliert geöffnet, kann das gefährliche Folgen haben. Sie lassen vergleichsweise große Mengen von Stoffen aus Zellen ausströmen, die physiologisch bedeutsam sind und Regelkreise durcheinander bringen können. Man vermutet daher, dass Pannexin-1-Kanäle verschiedene krankhafte Prozesse (mit-)verursachen, etwa bestimmte Formen der Epilepsie.
Zusammenarbeit bringt den Erfolg
Zwei Forschungsgruppen der Medizinischen Fakultät der RUB konnten jetzt in interdisziplinärer Zusammenarbeit nachweisen, dass es sich bei dem seit 25 Jahren rätselhaften Ionenkanal in Herzmuskelzellen genau um diesen Pannexin-1-Kanal handelt. Der unbekannte, ungewöhnlich große Kanal wurde vom Team um Pott im Jahr 1986 zum ersten Mal im Journal „Nature“ beschrieben. Versuche zur Identifizierung der molekularen Identität des Kanals waren aber nicht schlüssig.
Nächste Frage: Wozu benutzen Herzmuskelzellen den Kanal?
Unabhängig von dieser Suche charakterisierte die Arbeitsgruppe „Molekulare Hirnforschung“ am Neuroanatomischen Institut molekular- und zellbiologisch Kanalproteine in elektrischen Synapsen. Die funktionelle Analyse eines dieser Proteine führte zu der Annahme, dass das Pannexin-1-Protein für die Kanalaktivität in Herzmuskelzellen verantwortlich sein könnte. Um diese Frage zu klären, arbeiteten die beiden Gruppen zusammen.
„Und tatsächlich konnten wir mit elektrophysiologischen, molekularbiologischen und bildgebenden Methoden nachweisen, dass Herzmuskelzellen über Pannexin-Kanäle verfügen“, sagt Dr. Georg Zoidl. „Das unkontrollierte Öffnen dieser Kanäle hat vermutlich katastrophale Folgen für den Herzrhythmus, der durch elektrische Signale gesteuert wird.“ Es bleibt daher aufzuklären, wozu die Herzmuskelzellen Pannexin-1-Kanäle benutzen.
Dr. Marie-Cécile Kienitz und Zoidl werden dazu das interdisziplinäre Forschungsvorhaben fortsetzen und die wichtige Fragestellung an genetisch modifizierten Mäusen und Zellkulturmodellen bearbeiten.
(Ruhr-Universität Bochum, 17.01.2011 – DLO)