Geowissen

Naturkatastrophen 2010: Dominiert von Erdbeben und Extremwetter

Klimawandel mitschuldig an zweithöchster Zahl an Naturkatastrophen seit 1980

Zugbahnen atlantischer Hurrikans im Jahr 2010 © NASA/ NHC / JTWC / Cyclonebiskit / CC-by-sa 3.0

Das Jahr 2010 war das Jahr mit der zweithöchsten Zahl an Naturkatastrophen seit 1980. Das berichtet die Münchener Rück in ihrer Naturkatastrophen-Bilanz des letzten Jahres. Geprägt war es neben einer Häufung von schweren Erdbeben zu 90 Prozent von wetterbedingten Katastrophen. Diese hohe Anzahl solcher Extremereignisse sowie die zahlreichen globalen und regionalen Temperaturrekorde sind nach Ansicht von Klimaforschern weitere Indizien dafür, dass der Klimawandel voranschreitet.

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Insgesamt verzeichneten die Wissenschaftler im vergangenen Jahr 950 Naturkatastrophen, neun Zehntel davon waren wetterbedingte Ereignisse wie Stürme, Unwetter oder Überschwemmungen. Damit war 2010 das Jahr mit der zweithöchsten Zahl an Naturkatastrophen seit 1980. Die gesamtwirtschaftlichen Schäden betragen rund 130 Milliarden US-Dollar, davon waren etwa 37 Milliarden US-Dollar versichert. Damit gehörte das Jahr auch zu den sechs schadenintensivsten Jahren für die Versicherungswirtschaft seit 1980.

Fünf Großkatastrophen

Insgesamt ereigneten sich im vergangenen Jahr fünf Katastrophen, die in Anlehnung an die Definition der Vereinten Nationen (UN) in die oberste Kategorie der Größtkatastrophen einzuordnen waren: das Erdbeben in Haiti am 12. Januar, ein Beben in Chile am 27. Februar und eines in Zentral-China am 13. April sowie die sommerliche Hitzewelle in Russland und die Überschwemmungen in Pakistan zwischen Juli und September. Auf sie entfiel im abgelaufenen Jahr der größte Teil der insgesamt etwa 295.000 Todesopfer sowie knapp die Hälfte der gesamtwirtschaftlichen Schäden.

„2010 hat gezeigt, mit welchen bedeutenden Risiken wir umgehen müssen. Es gab eine Reihe heftiger Erdbeben. Auch die Hurrikan-Saison war ereignisreich – nur glückliche Umstände sorgten dafür, dass die Zugbahnen die meisten Stürme auf dem offenen Meer hielten. Das hätte aber auch anders ausgehen können“, so Torsten Jeworrek, im Vorstand von Munich Re für die Rückversicherung zuständig. „Die schweren Erdbeben ebenso wie die Hurrikan-Saison mit so zahlreichen Stürmen machen einmal mehr deutlich, dass wir nicht nachlassen dürfen, diese Risiken eingehend zu analysieren und notwendige Versicherungsdeckungen zu adäquaten Preisen anzubieten. Diese von der Assekuranz berechneten Preise erlauben auch eine ökonomische Einschätzung der volkswirtschaftlichen Folgen dieser sonst nur schwer bewertbaren Risiken.“

Erdbeben von Haiti und Chile

Eines der verheerendsten Erdbeben der Geschichte der vergangenen 100 Jahre war das Beben in Haiti am 12. Januar, bei dem mehr als 220.000 Menschen starben. Eine höhere Anzahl von Todesopfern gab es zuvor nur beim Tangshan-Beben in China von 1976, bei dem 242.000 Menschen zu Tode kamen. Während das Beben in Haiti eine menschliche Tragödie unglaublichen Ausmaßes war, entstanden – wie so häufig in Entwicklungsländern – für die Versicherungswirtschaft kaum Schäden.

Fünfhundert Mal mehr Energie als beim Haiti-Beben wurde bei dem Erdbeben freigesetzt, das gut einen Monat später Chile erschütterte. Mit gesamtwirtschaftlichen Schäden von 30 Milliarden US-Dollar und versicherten Schäden von acht Milliarden US-Dollar war das Beben die teuerste Naturkatastrophe des Jahres. In dem hoch entwickelten Land gelten wegen der großen Erdbebengefährdung sehr strenge Baustandards. Dadurch kamen trotz der Schwere des Bebens – es war das fünftstärkste jemals gemessene Erdbeben – vergleichsweise sehr viel weniger Menschen zu Schaden, obgleich es auch in Chile Todesopfer zu beklagen gab.

Monsunregen in Asien, Hitzewelle in Russland

Verheerende Folgen hatten nach extremen Monsun-Regenfällen im Sommer Überschwemmungen in Pakistan. Wochenlang war bis zu ein Viertel des Landes überschwemmt. Unzählige Menschen verloren alles, was sie hatten. Der gesamtwirtschaftliche Schaden betrug 9,5 Milliarden US-Dollar – eine extreme Summe für das wirtschaftlich wenig entwickelte Land.

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Eine Katastrophe sehr großen Ausmaßes wurde auch durch die Hitzewelle in Russland und angrenzenden Ländern zwischen Juli und September ausgelöst. Vielerorts, wie auch in Moskau, wurden Rekordtemperaturen erreicht. In einigen Regionen Zentralrusslands lagen die Temperaturen zwei Monate lang über 30°C. Wälder standen in Flammen, die Brände bedrohten sogar kerntechnische Einrichtungen und Gegenden, in denen die Böden noch von dem radioaktiven Niederschlag von Tschernobyl belastet waren. Mindestens 56.000 Menschen starben an den Folgen von Hitze und Luftverschmutzung, es war die tödlichste Naturkatastrophe in der Geschichte Russlands.

Island-Vulkan zeigte Anfälligkeit der vernetzten Systeme

Ein ganz anderes Naturereignis machte 2010 die Anfälligkeit der vernetzten Systeme der Weltwirtschaft deutlich: der Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull auf Island im April. Wegen der in die Atmosphäre geschleuderten Staubpartikel kam der Flugverkehr über Nordeuropa über Tage nahezu vollständig zum Erliegen. Unmittelbar beschädigt wurde wenig.

Aber durch den Ausfall der Lieferung wichtiger Güter an Industriebetriebe wurden im Laufe der Zeit immer mehr Sektoren der Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen. Die Fluggesellschaften hatten Folgekosten in Milliardenhöhe zu bewältigen. „Dieser Vulkanausbruch ist ein Beispiel, wie Versicherung die wirtschaftlichen Folgen eines Naturereignisses abfedern kann. Die Folgekosten für die Fluggesellschaften wären im Prinzip versicherbar gewesen“, so Vorstandsmitglied Jeworrek.

Hurrikan-Saison im Atlantik: Glück gehabt

Glimpflich verlief die Hurrikansaison im Atlantik – aber nur auf den ersten Blick. Durch günstige Wetterlagen wurde die US-Küste von keinem Hurrikan getroffen. In Mexiko richteten einige Stürme dagegen erhebliche Schäden an. Ansonsten drehten die Stürme auf dem Meer in Richtung Nordosten ab und streiften nur einige Inseln in der Karibik.

Aber: Was glimpflich aussah, war gemessen an der Zahl und Intensität der Stürme eine der heftigsten Hurrikan-Saisons der vergangenen 100 Jahre. Insgesamt wurden 19 benannte Tropenstürme gezählt, gemeinsam mit 1995 die dritthöchste Zahl nach 2005 und 1933. Zwölf der Stürme erreichten Hurrikanstärke, fünf fielen in die obersten Hurrikan-Kategorien mit Windgeschwindigkeit über 178 km/h. Damit waren die Vorhersagen verschiedener Institute zur Anzahl der Stürme sehr präzise. „Die Zahl der Stürme liegt weit über dem Durchschnitt. Nur: Ob und wo solche Stürme an Land gehen, ist schlicht nicht vorherzusagen“, so Professor Peter Höppe, Leiter der GeoRisikoForschung von Munich Re.

Meerestemperaturen über dem langjährigen Durchschnitt

Bereits zu Beginn der Hurrikansaison 2010 lagen die Wassertemperaturen im tropischen Nordatlantik um bis zu 2°C über dem langjährigen Mittel – und damit auch deutlich höher, als es für die seit 1995 anhaltende zyklische Warmphase im Nordatlantik erwartet werden kann. Die Wassertemperaturen boten damit ideale Voraussetzungen für die Entstehung und eine hohe Intensität von Hurrikanen.

„Das passt zum Trend der vergangenen 30 Jahre, der in allen Ozeanbecken einen Anstieg der Wassertemperaturen zeigte. Dieser Langfristtrend ist nicht mehr allein mit natürlichen Klimaschwankungen zu erklären. Vielmehr dürfte der Klimawandel einen Teil zur Erwärmung der Weltmeere beitragen“, so Höppe. „Dieser Einfluss wird sich weiter verstärken, und zusammen mit der weiter anhaltenden natürlichen Warmphase im Nordatlantik bedeutet dies vermutlich auch für die kommenden Jahre eine hohe Hurrikan-Aktivität.“

Asien und Amerika am häufigsten betroffen

2010 brachte eine den Vorjahren vergleichbare Verteilung der Naturkatastrophen über die verschiedenen Weltregionen. Die meisten Katastrophen ereigneten sich auf dem amerikanischen Kontinent (365) und in Asien (310). 120 Naturkatastrophen wurden in Europa gezählt, 90 in Afrika und 65 in Australien/Ozeanien. Auf Nord- und Südamerika entfiel auch der höchste Teil der versicherten Schäden: rund zwei Drittel.

In Europa fielen 17 Prozent der Schäden an. Teuerstes Einzelereignis war hier der Wintersturm Xynthia, der vor allem Spanien und Frankreich betraf und insgesamt Schäden von 4,5 Milliarden Euro verursachte; der Anteil der versicherten Schäden lag bei Xynthia mit 2,3 Milliarden Euro, wie üblich bei Winterstürmen in Europa, recht hoch.

Die Schäden durch die extremen Überschwemmungen im Nordosten Australiens können noch nicht abschließend beziffert werden. Seit Anfang Dezember sind etliche Orte überschwemmt und von der Außenwelt abgeschnitten, große Tagebauminen mussten ihren Betrieb vorübergehend einstellen. Starke Niederschläge in dieser Region kommen immer wieder vor, und durch die vorherrschenden „La Nina“-Bedingungen werden solche Wetterlagen begünstigt.

(Munich Re, 05.01.2011 – NPO)

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