Astronomie

Erster Atlas des Saturnmonds Rhea

Kartierung durch NASA-Sonde Cassini enthüllt rätselhafte Bruchstrukturen im Eis

Auf dieser Falschfarbenaufnahme der stets dem Planeten zugewandten Seite des Mondes, die von der NASA-Raumsonde Cassini aufgenommen wurde, sind Farbunterschiede der Hemisphäre zu sehen. Das Bild wurde von Wissenschaftlern der Freien Universität Berlin erzeugt. Die linke Hälfte der auf diesem Bild sichtbaren Oberfläche Rheas weist in die Richtung der Umlaufbewegung von Rhea um den Planeten Saturn, während die rechte Seite in die entgegengesetzte Richtung weist. © NASA/JPL/ SSI/ FUB

Den ersten Atlas von Rhea, dem zweitgrößten Mond des Saturn, haben jetzt Wissenschaftler der NASA und des DLR vorgestellt. Die hochaufgelösten Bilddaten der Mondoberfläche stammen vom Kamera-Experiment auf der Raumsonde Cassini, die seit bald sechseinhalb Jahren den Saturn umkreist. Die Aufnahmen enthüllen unter anderem langgezogene Bruchstrukturen im Eis, deren Ursprung bisher rätselhaft sind.

Vor 30 Jahren, am 12. November 1980, flog die Raumsonde Voyager 1 am Saturn vorbei: Sie lieferte damals die ersten Erkenntnisse über den Ringplaneten und seine zahlreichen Monde und revolutionierte das Bild von den eisigen Welten des äußeren Sonnensystems. Dies gilt in noch viel stärkerem Maße für die Planetenmission Cassini, die seit Mitte 2004 im Saturnsystem kreist. Im Laufe dieser Zeit kartierte sie mit Hilfe ihres Kamerasystems bereits mehrere Monde des Saturn, jetzt war Rhea an der Reihe.

Gesamte Oberfläche von Saturnmond Rhea kartiert

„Nach den Atlanten für Phoebe, Mimas, Enceladus, Tethys, Dione und Iapetus haben wir nun auch Rhea vollständig kartiert und können seine gesamte Oberfläche in einem Atlas von 15 Kartenblättern darstellen“, erklärt Thomas Roatsch vom DLR-Institut für Planetenforschung, der als assoziierter Wissenschaftler für die Erstellung aller Atlanten der sieben größten Saturnmonde nach Titan zuständig ist. Der Atlas und die bisher detailreichsten Bilder von Rhea geben Aufschluss über die geologische Entwicklung und die Oberflächenbeschaffenheit des Eismondes.

Die Aufnahmen entstanden bei zwei Nahvorbeiflügen im September 2009 und im März 2010 aus zum Teil nur hundert Kilometer Entfernung. Von Rhea nahm das Kamerasystem in den vergangenen sechs Jahren insgesamt 4.386 Bilder auf, deren Auflösung von 500 Metern pro Bildpunkt (Pixel) bis zu 6,5 Meter pro Pixel reicht. Für das nun vorliegende Kartenwerk wurden 370 hoch aufgelöste Aufnahmen von zwei Nahvorbeiflügen und neun Passagen in größerer Distanz verwendet. Aber auch die 30 Jahre alten Voyager-Aufnahmen fanden noch Verwendung.

„Besonders spannend wird der 11. Januar 2011 sein, wenn Cassini in nur 76 Kilometern Höhe über die Oberfläche von Rhea fliegen wird“, freut sich Roatsch. „Das werden dann die besten Bilder überhaupt sein, die wir je von Rhea zu Gesicht bekommen – selbst wenige Meter kleine Details werden darauf erkennbar sein!“ Erst vor kurzem wurde mit zwei anderen Experimenten an Bord von Cassini eine hauchdünne Sauerstoff-Kohlendioxid-Atmosphäre, eine so genannte Exosphäre, entdeckt.

Rätselhafte Bruchstrukturen im spröden Eis

Besonders interessant für die Forscher sind einige über 100 Kilometer lange, zumeist lineare, an manchen Stellen auch gewundene Strukturen. Der Ursprung dieser dünnen Linien war lange unklar. „Erst die hoch aufgelösten Bilddaten von Cassini enthüllten, dass die hellen Filamente in Wirklichkeit tektonischen Ursprungs, also Brüche in der Eiskruste, sind und ihre Ursache im plötzlichen Entladen von Spannungen im Eispanzer des Mondes haben“, erklärt Roland Wagner vom DLR-Institut für Planetenforschung. Sie könnten durch Episoden von Dehnungs- und Schertektonik entstanden sein.

Die mit Kratern übersäte Oberfläche des Saturnmondes Rhea (1528 Kilometer Durchmesser) wird von dünnen Rissen durchzogen. Dies ist auf diesem hoch auflösenden Anaglyphenbild (3-D-Darstellung) zu sehen, das von der NASA-Raumsonde Cassini aufgenommen wurde und mit einer bisher nicht erreichten Genauigkeit die Oberfläche des Mondes abbildet. © NASA/JPL/ SSI/ DLR

„Indem die hoch aufgelösten Detailaufnahmen mit spektroskopischen Daten von Cassini korreliert werden, wurde auch festgestellt, dass die auffallende Helligkeit dieser Filamente durch fast reines Wassereis hervorgerufen wird, das an den Steilhängen dieser tektonischen Strukturen exponiert ist“, erläutert der Planetengeologe. Die tektonischen Grabenbrüche auf Rhea sind bis zu vier Kilometer tief. „Das bedeutet, dass es in der geologischen Vergangenheit zu enormen Spannungen im spröden Eispanzer des Mondes gekommen sein muss, die sich in diesen großen vertikalen Versätzen manifestierten“, so Wagner weiter. „Über die Ursache dieser Spannungen können wir jedoch nur spekulieren.“

Unterschiede zwischen „Bug-“ und „Heckseite“

Wie der Mond die Erde, so umrundet auch Rhea seinen Planeten in einer „gebundenen Rotation“, dreht sich also während eines Orbits um den Planeten genau einmal um seine eigene Achse. Dadurch weist immer dieselbe Seite zum Saturn. Durch die Kombination von Aufnahmen der dem Saturn zugewandten Seite Rheas durch drei spezielle Filter (ultraviolett, grün und infrarot) konnte Tilmann Denk von der Freien Universität Berlin zeigen, dass auf der Hälfte der „Heckseite“ von Rhea, die in Richtung des Saturn orientiert ist, markante Farb- und Helligkeitsunterschiede gegenüber der „Bugseite“ des Mondes bestehen.

Solche unterschiedlichen Oberflächen sind bei den Eismonden des äußeren Sonnensystems mit gebundener Rotation nicht ungewöhnlich. Sie beruhen wahrscheinlich auf regionalen Veränderungen der Zusammensetzung dieser Oberflächen oder Unterschieden in der Größe und mechanischen Struktur der Eiskörner aus denen sich die Kruste zusammensetzt. Diese Veränderungen können ihre Ursache in zahlreichen Prozessen haben, wie zum Beispiel einer bevorzugten Richtung des Einfalls von Kleinpartikeln oder meteoritischen Bruchstücken oder dem Eindringen von Ionen, die im Magnetfeld von Saturn gefangen sind.

(Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR, 04.01.2011 – NPO)

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