Ökologie

Hybridbildung bedroht arktische Tierwelt

Schwindendes Meereis begünstigt Kreuzungen zwischen Arten

Eisbären bald k.o.? © U.S. Fish and Wildlife Service

Immer häufiger werden in der Arktis Tiere gesichtet, die aus einer Kreuzung zwischen zwei verwandten Arten entstanden, so genannte Hybride. Das schnell schwindende Meereis fördert diese Hybridisierung und kann das Aussterben von Arten beschleunigen, wie Wissenschaftler Mitte Dezember in einem Kommentar in „Nature“ warnten.

2006 schossen Jäger in der Arktis einen weißen Bären mit seltsamen braunen Flecken. Ein DNA-Test enthüllte, was viele schon vermutet hatten: Es handelte sich um einen Hybriden, eine Kreuzung aus Eisbär und Grizzly. 2009 fotografierten Fischer in der Beringsee eine Mischform aus Grönlandwal und Pazifischem Nordkaper. Anfang dieses Jahres wurde in der kanadischen Arktis erneut ein gefleckter Bär entdeckt. Dieser war sogar in zweiter Generation Hybrid: Seine Mutter war ein Eisbär-Grizzly-Hybrid, sein Vater ein Grizzly.

Kein Einzelfall

Spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar: Solche Hybridisierungen sind offenbar kein Einzelfall mehr in arktischen Regionen. Die Forscher Brendan Kelly vom National Marine Mammal Laboratory der NOAA, Andrew Whiteley von der Universität von Massachusetts und David Tallmon von der Universität von Alaska identifizierten in einer stichprobenartigen Erhebung allein unter den arktischen und subarktischen Meeressäugern 34 mögliche Hybridisierungen. Von den 22 davon betroffenen Arten stehen 14 auf der Roten Liste.

Schrumpfendes Meereis erleichtert Kontakt

„Der arktische Ozean soll den Prognosen nach noch vor dem Ende des Jahrhunderts eisfrei sein, damit fällt eine ozeangroße Barriere weg, die Kreuzungen verhindert hat“, erklären die Forscher in einem „Nature“-Kommentar Mitte Dezember 2010. Auf dem Eis lebende Arten wie der Polarbär werden daher zukünftig mehr Zeit an Land verbringen und damit noch häufiger mit Grizzlys in Kontakt kommen. Robben und Wale, die bisher durch die Meereisbarriere voneinander getrennt sind, werden bald die gleichen Gewässer teilen.

Unfruchtbarkeit der Hybride gefährdet Art-Überleben

„Nicht alle Kreuzungen zwischen Arten werden fruchtbaren oder überhaupt lebenden Nachwuchs produzieren“, so die Forscher. Dadurch verringert sich die Populationsgröße der betroffenen und möglicherweise ohnehin schon bedrohten Arten noch weiter. „Dies sind nur die ersten von vielen Hybridisierungen, die die polare Artenvielfalt bedrohen werden. Das schnell schmelzende arktische Meereis gefährdet Arten nicht nur durch Habitatverlust, sondern auch durch Hybridisierung“, so Kelly und Co. weiter. „Wenn bisher isolierte Populationen und Arten in Kontakt kommen, paaren sie sich, bilden Hybriden und als Folge können seltene Arten aussterben.“

Die Autoren rufen in ihrem Kommentar dazu auf, ein Monitoringprogramm zu starten, das gezielt ermittelt und dann kontinuierlich überwacht, wie viele solcher zwischenartlichen Kreuzungen vorkommen. „Forscher sollten Modelle des Meereisverlusts, der Ozeanografie und Daten aus der Genomik kombinieren um vorherzusagen, wann und wo eine Hybridisierung am wahrscheinlichsten ist. Dann kann die Genetik dieser Risikopopulationen gezielt überwacht werden“, so die Wissenschaftler. „Das schnelle Verschwinden des Meereises lässt uns nicht mehr viel Zeit.“

(Nature , 20.12.2010 – NPO)

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