Konstanzer Physiker haben erstmals die Strukturdynamik in einem so genannten stark korrelierten System nachverfolgt. Die neuen Forschungsergebnisse ermöglichen die Beobachtung kooperativer Phänomene von elektronischem System und Kristallgitter, schreibt das Wissenschaftsjournal „Nature“ in seiner aktuellen Online-Ausgabe.
Technologisch als auch für die Grundlagenforschung interessante Phänomene wie die Hochtemperatur-Supraleitung entstehen aus einer empfindlichen Balance unterschiedlicher Wechselwirkungen zwischen Elektronen, Phononen und Spins. Messtechniken mit einer Zeitauflösung im Femtosekundenbereich ermöglichen eine direkte Beobachtung besagter Wechselwirkungen, indem sie schlagartig die elektronische Struktur stören und gleichzeitig die Energierelaxation der verschiedenen Subsysteme nachverfolgen.
Wechselwirkung zwischen Elektronen und Gitter
Während die Elektronen- und Spindynamik durch ausgereifte, rein optische Methoden gut untersucht werden können, gestaltet sich das direkte Verfolgen der Strukturdynamik hingegen sehr viel schwieriger.
Ein zur Supraleitung sehr nah verwandter Zustand sind Ladungsdichtewellen, die durch ihre niedrige Dimensionalität ein ideales Modellsystem zur Untersuchung der Wechselwirkung zwischen Elektronen und Gitter bieten. In diesem Fall ist der Kristall bei tiefen Temperaturen durch eine periodische Gitterdeformation und durch eine Modulation der Elektronendichte charakterisiert. Diesen Zustand kann man sich im bildlichen Sinne wie riesige Ozeanwellen vorstellen.
Ultrakurze Elektronenbündel
Die Forscher der Universität Konstanz untersuchten nun zusammen mit Wissenschaftlern der kanadischen University of Toronto und der schweizerischen École Polytechnique Fédérale de Lausanne die Gitterdynamik an einem TaS2 Kristall. Dünne Filme dieses zweidimensionalen Ladungsdichtewellen-Systems wurden optisch mit Hilfe ultrakurzer Lichtimpulse angeregt, um die resultierenden Änderungen im elektronischen System durch einen zweiten Laserimpuls zu verfolgen. Parallel dazu wurde die Strukturänderung anhand von Beugungsbildern aufgezeichnet, die durch ultrakurze Elektronenbündel von weniger als 250 Femtosekunden generiert wurden.
Licht beruhigt „Meereswellen“
Dadurch fanden die Forscher heraus, dass die Zerstörung der Elektronendichtemodulation durch intensive optische Anregung das Schmelzen der periodischen Gitterdeformation auf einer außergewöhnlich kurzen Zeitskala von etwa 250 Femtosekunden bewirkt. „Die sinnbildlichen ‚Meereswellen‘ werden also durch Lichteinstrahlung beruhigt, türmen sich aber wieder auf, sobald das Licht schwindet“, erklärt der Konstanzer Professor Jure Demsar. Das beobachtete kollektive Phänomen wirft ein neues Licht auf die Dynamik und die Entstehung solch makroskopischer Quantenphänomene.
Die in diesem Experiment demonstrierte Möglichkeit, kooperative Effekte in der ultraschnellen Dynamik von Elektronen und Gitter nachzuverfolgen, bereitet nun tiefergehenden quantitativen Studien den Weg, so die Forscher.
(idw – Universität Konstanz, 29.11.2010 – DLO)