Rund 600 Gene sind an der Regulierung und Wahrnehmung von Schmerzen beteiligt, das enthüllte jetzt eine in „Cell“ veröffentlichte Studie. Für Überraschung sorgte dabei das Gen „α2δ3“: Denn es beeinflusst nicht nur die Schmerzempfindlichkeit, sondern entpuppte sich auch als das erste jemals identifizierte Gen für Synästhesie. Menschen mit dieser Fähigkeit empfinden etwa Worte als Farben oder Klänge als Bilder und sind überdurchschnittlich kreativ.
Etwa einer von fünf Erwachsenen leidet unter akuten oder chronischen Schmerzen. Die Intensität, mit der Schmerz empfunden wird, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Aus Zwillingsstudien weiß man, dass genetische Veranlagung dabei eine große Rolle spielt. Die beteiligten Gene und die molekularen Mechanismen der Schmerzentstehung sind jedoch noch großteils unbekannt. Jetzt hat ein internationales Forscherteam um die Molekularbiologen Josef Penninger und Greg Neely von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien und den Neurobiologen Clifford Woolf von der Harvard Medical School in Boston in einer großangelegten Studie systematisch nach Schmerz-Genen gesucht – mit Erfolg.
600 Schmerz-Gene identifiziert
Die Forscher nutzten zunächst die Möglichkeiten der Wiener Fliegenbibliothek VDRC und untersuchten nahezu alle Gene der Fliege auf ihre Rolle bei der Schmerzempfindung. Mittels RNA-Interferenz wurde Gen um Gen einzeln ausgeschaltet und die Insekten danach einem Hitzereiz ausgesetzt. Flohen die Tiere nicht vor den schädlichen Temperaturen, so war ihr Schmerzempfinden offenbar herabgesetzt. Es zeigte sich, dass die gewaltige Zahl von 600 Genen an der Regulierung und Wahrnehmung von Schmerzen beteiligt ist.
Von den rund 600 gefundenen Genen, die an der Schmerzverarbeitung beteiligt sind, wählten die Forscher das Gen α2δ3 für weitere Studien am Menschen aus. Es ist für die Bewegung von Kalziumionen durch Zellmembranen verantwortlich, ein Mechanismus, in den bekanntermaßen einige wirksame Schmerzmittel eingreifen. Um herauszufinden, ob das α2δ3 -Gen die Schmerzwahrnehmung beim Menschen beeinflusst, wurden Studien mit gesunden Freiwilligen durchgeführt, die genetische Varianten im Bereich des α2δ3 -Gens aufweisen.