Zoologie

Kleinster Frosch der Welt entpuppt sich als Giftzwerg

Eleutherodactylus iberia besitzt giftige Alkaloide in seiner Haut

Eleutherodactylus iberia © Ariel Rodriguez & Miguel Vences

Giftige Frösche gibt es nicht nur in den Regenwäldern Südamerikas oder Madagaskars sondern überraschenderweise auch in der Karibik. Denn die nach dem Guinness-Buch kleinste Froschart der Welt, der kubanische Zwergfrosch Eleutherodactylus iberia, besitzt in seiner Haut giftige Alkaloide, die wahrscheinlich einen wirksamen Mechanismus zur Abwehr von Feinden darstellen. Diese erstaunliche Entdeckung ist jetzt einem kubanisch-deutschen Wissenschaftlerteam gelungen.

Die Identifizierung dieser Substanzen bei den „Giftzwergen“ aus der Karibik ist der erste Nachweis in der Gattung der Antillen-Pfeiffrösche, die fast 200 Arten umfasst. Die Forscher um Professor Miguel Vences von der Technischen Universität (TU) Braunschweig stellen die Ergebnisse ihrer neuen Studie jetzt in der Fachzeitschrift „Biology Letters“ vor.

6.000 Froscharten leben auf der Erde

Unter den fast 6.000 bekannten Froscharten der Erde leben mehrere echte Winzlinge: In Brasilien, aber auch auf Madagaskar und Kuba existieren solche miniaturisierte Arten, die auf die wissenschaftlichen Namen Brachycephalus didactylus (Brasilien), Stumpffia pygmaea und Stumpffia tridactyla (Madagaskar), sowie Eleutherodactylus iberia (Kuba) hören und als ausgewachsene männliche Tiere unter zehn Millimetern bleiben können.

Der kürzlich von Forschern in Sarawak, Malaysia, entdeckte Microhyla nepenticola misst zwischen zehn und 13 Millimeter. Aktueller Rekordhalter bei den Frosch-Zwergen ist laut dem Guiness-Buch jedoch Eleutherodactylus iberia, bei dem auch die sonst etwas größeren Weibchen unter elf Millimeter bleiben.

Der kleinste Frosch der Welt © Ariel Rodriguez & Miguel Vences

„Verzwergung“ endet bei zehn Millimetern

Die überraschend geringe Größe eröffnet eine ganze Reihe wissenschaftlicher Fragen. Welche Faktoren führen dazu, dass sich „normale“ Frösche im Laufe der Jahrmillionen dauernden Evolution in solche Winzlinge verwandeln? Gibt es bestimmte Nahrung, auf die sich die Tiere spezialisieren? Und: Warum ist eigentlich offenbar genau bei zehn Millimetern Schluss mit der „Verzwergung“, warum gibt es nicht noch winzigere Amphibien?

Expedition in den Alexander-Humboldt-Nationalpark

Um zumindest einige dieser Rätsel zu lösen machte sich Vences zusammen mit kubanischen Forschern im Regenwald des Alexander-Humboldt-Nationalpark im östlichen Kuba auf die Suche. „Um diese winzigen Tiere zu finden, muss man Blatt für Blatt das heruntergefallene Laub auf dem Boden des Regenwalds abtragen. Hinterher hat man meist ganz schöne Rückenschmerzen“, beschreibt Vences die arbeitsintensive Suchmethode.

Es zeigte sich, dass die Tiere auf manchen Flächen in einer enorm hohen Dichte vorkamen, während sie anderswo völlig fehlten. Zudem waren die Fröschchen tagsüber aktiv und zeigten eine auffällige Färbung, mit einem dunkelbraunen Körper mit gelben Streifen.

Kontrastreiche Färbung

„Eine solche kontrastreiche Färbung ist meistens typisch für Gifttiere, die damit mögliche Beutegreifer abschrecken wollen“, erklärt Ariel Rodriguez vom Instituto de Ecologia y Sistematica in Havanna, der Erstautor der Studie.

Komplizierte chemische Analysemethoden lieferten schließlich den Beleg für den aufkeimenden Verdacht: Die kubanischen Zwergfrösche besitzen tatsächlich Gifte. In der Haut der Tiere fanden sich Verbindungen aus der Substanzklasse der Alkaloide.

Alkaloide werden mit der Nahrung aufgenommen

„Dies war eine überraschende Entdeckung, denn solche Verbindungen sind bislang erst bei vier anderen Froschgruppen bekannt, unter anderem bei den berühmten Pfeilgiftfröschen aus Südamerika“, so der Chemiker Professor Stefan Schulz von der TU Braunschweig, der die Analysen leitete. Sein Mitarbeiter Dennis Poth ergänzt: „Und soweit bekannt, werden die Alkaloide von den Fröschen meist mit der Nahrung aufgenommen“.

Nahrungsanalysen bestätigten schließlich diese Vermutung: Hauptsächlich scheinen die Zwergfrösche winzige Milben und Ameisen zu fressen, die bekanntermaßen Alkaloide enthalten. Die Miniaturisierung war also vermutlich der Schlüsselfaktor, der den Tieren ermöglichte, sich auf giftige Nahrung zu spezialisieren und die Gifte in der Haut zu speichern. Dadurch schließlich konnten es sich diese Giftzwerge der Karibik den Forschern zufolge erlauben, auch tagsüber aktiv zu sein und ihre auffällige Warnfärbung zu entwickeln.

Kubanischer Zwergfrosch mit sehr begrenzter Verbreitung

Der kubanische Zwergfrosch ist bislang nur aus der Gegend des Alexander von Humboldt Nationalparks in Ostkuba bekannt, der auch als Welterbe anerkannt wird. Wegen seiner sehr begrenzten Verbreitung wird er als stark vom Aussterben gefährdet angesehen. Im Vergleich zu anderen karibischen Inseln besitzt Kuba die artenreichsten und mit am besten erhaltenen Ökosysteme.

Weitere Naturschutzbemühungen sowie weitere intensive Forschung zum Verständnis dieser Ökosysteme ist notwendig, um Eleutherodactylus iberia und andere seltene Arten dauerhaft für die Nachwelt zu erhalten, so die Wissenschaftler.

(idw – Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig, 04.11.2010 – DLO)

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