Ab heute verhandeln im japanischen Nagoya die Vertreter von 193 Staaten auf dem Weltnaturschutzgipfel über das Übereinkommen zum Erhalt der biologischen Vielfalt (CBD). Dabei geht es bis zum 29. Oktober 2010 unter anderem darum, ein Rettungspaket zu schnüren, das das weltweite Artensterben bis 2020 stoppen kann.
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Nach Ansicht von Umweltschutzorganisationen wie BUND oder WWF gehört dazu ebenso die Verabschiedung eines neuen, ambitionierten Strategischen Plans mit konkreten und messbaren Zielen wie eine ausreichende Finanzierung für dessen Umsetzung. Unter anderem soll auf mindestens 20 Prozent der Erdoberfläche ein weltweites repräsentatives Schutzgebietsnetz geschaffen werden. Die Umwelt- und Naturschützer fordern aber auch, umweltschädliche Subventionen abzubauen und die Überfischung der Meere zu stoppen.
47.677 Arten vom Aussterben bedroht
Weltweit sind nach Angaben der Weltnaturschutzunion IUCN mehr als ein Drittel der 47.677 untersuchten Tier- und Pflanzenarten von Aussterben bedroht. In Deutschland steht ein Drittel der Tiere und Pflanzen auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Von den Lebensräumen Deutschlands sind drei Viertel gefährdet.
„Bislang hat die Politik versagt und ihre Ziele weder in Deutschland noch international erreicht“, bemängelte Günter Mitlacher, Experte für biologische Vielfalt beim WWF Deutschland. Ursprünglich hatte sich die Weltgemeinschaft vorgenommen, das Artensterben bis 2010 „signifikant zu verringern“. Davon ist man weit entfernt. Die von Menschen verursachte Aussterberate von Tieren und Pflanzen liegt nach Angaben der Umwelt- und Naturschützer mindestens hundertmal höher als der natürliche Artenschwund.
Ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Rettung der biologischen Vielfalt
Für die Rettung der biologischen Vielfalt forderte der BUND von den Industriestaaten künftig mindestens ein Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes bereit zu stellen. Die von Deutschland auf der letzten Weltnaturschutzkonferenz 2008 in Bonn zugesagten 500 Millionen Euro bis 2012 und 500 Millionen jährlich ab 2013 für den weltweiten Biodiversitätsschutz seien ein erster guter Schritt gewesen. Doch müsste es sich tatsächlich um zusätzliche Gelder handeln. Bisher seien die im Haushalt eingestellten 500 Millionen bereits dreimal, für Biodiversität, Klimaschutz und Entwicklungszusammenarbeit, veranschlagt worden.
Hubert Weiger, BUND-Vorsitzender: „Bei der Weltnaturschutzkonferenz geht es um nichts Geringeres als die Sicherung unserer Existenzgrundlagen. Für die Rettung der Weltwirtschaft wurden in kürzester Zeit Milliarden mobilisiert. Doch bei Maßnahmen gegen den Biodiversitätsverlust und den Klimawandel wird zäh gerungen. Dabei sind die Folgen unumkehrbar. Die Weltgemeinschaft muss endlich der auf kurzfristige Gewinne angelegten Naturausbeutung eine Absage erteilen.“
Abkommen gegen Biopiraterie
Den Delegierten müsse es laut BUND zudem gelingen, endlich eine faire Einigung über die Nutzung der biologischen Vielfalt und den daraus resultierenden Gewinne zu erzielen. So nutzen Pharmafirmen Pflanzen und andere Organismen zur Herstellung von Medikamenten und ließen sich diese patentieren. An den Gewinnen seien die Herkunftsländer allerdings bisher nicht beteiligt. Die indigenen und lokalen Gemeinschaften, deren Heilwissen oftmals genutzt werde, schon gar nicht. Diese Biopiraterie müsse ein Ende haben. Hier muss vor allem Kanada seine Blockadehaltung aufgeben, so der BUND.
Nicola Uhde, BUND-Naturschutzexpertin: „Die Länder des globalen Südens verknüpfen ihre Zustimmung zu einem Strategischen Plan mit den Einlenken der Industriestaaten bei der Biopiraterie und der Finanzierung des weltweiten Biodiversitätsschutzes. Dadurch wird in Nagoya nichts entschieden sein, bevor nicht alles entschieden ist.“
Mehr Schutzgebiete…
Großen Nachholbedarf gibt es laut WWF bei der Ausweisung und Finanzierung von Schutzgebieten. Insbesondere auf hoher See schreite die Plünderung der Ozeane ungebremst voran. Nur etwa ein Prozent der Hohen See ist geschützt. Der WWF fordert, bis 2020 mindestens 20 Prozent der Erdoberfläche unter Naturschutz zu stellen.
Die Verhandlungen in Japan bieten überdies die Gelegenheit, endlich ein gemeinsames Programm zum Thema Klimawandel und biologische Vielfalt in Angriff zu nehmen. Es gehe vor allem darum, die Vernichtung der Wälder zu stoppen und sie sowohl als Lebensraum für unzählige Tiere und Pflanzen, als auch als Kohlendioxidspeicher zu bewahren.
…und weniger schädliche Subventionen
In Nagoya muss laut dem WWF nicht nur mehr Geld für den Naturschutz bereit gestellt werden, sondern es müssen auch schädliche Subventionen gestrichen werden. Die Natur- und Umweltschutzorganisation verweist darauf, dass weltweit Jahr für Jahr 670 Milliarden Euro an Staatshilfen in Branchen fließen, die wesentlichen Anteil an der Zerstörung der Natur haben. Diese fatale Fehlentwicklung müsse gestoppt und die Vergabe der Mittel an ökologische Kriterien geknüpft werden. Nur so lasse sich eine nachhaltige Wirtschaftsweise fördern und die Leistungen der Natur für die Menschheit sichern.
(WWF Deutschland / BUND, 18.10.2010 – DLO)