Zum ersten Mal haben Forscher Fragmente eines Hepatitis-ähnlichen Virus im Genom eines Tieres entdeckt. Die im Erbgut verschiedener Finkenarten identifizierten Virenspuren zeigen, dass diese Virengruppe damit bedeutend älter ist als bisher angenommen. Sie könnte sich bereits vor rund 19 Millionen Jahren in die Vogel-DNA eingeschleust haben, wie die Wissenschaftler jetzt in „PLoS Biology“ berichten. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Vogelarten auch heute noch ein aktives Reservoir für solche Viren sind.
Bei Retroviren ist schon länger bekannt, dass sie auch endogen, in den Chromosomen ihres Wirtsorganismus, weiter gegeben werden können. Durch das Einschleusen der Viren-DNA in das Erbgut der Keimbahnzellen – Spermien- und Eizellenvorläufern – zu irgendeinem Zeitpunkt der Evolution, bleibt ihr genetischer Code nun als Teil der Wirts-DNA erhalten und wird von Generation zu Generation weitervererbt. Beim Menschen bilden solche endogenen Virenreste rund acht Prozent des Genoms. Im Laufe der Zeit werden die meisten von ihnen durch Mutationen inaktiv, doch einige stehen auch im Verdacht, Autoimmunerkrankungen auszulösen wie beispielsweise Multiple Sklerose.
Endogene Hepadnaviren in Finken
Jetzt haben Biologen von der Universität von Texas in Arlington erstmals auch endogene Viren einer ganz anderen Virengruppe in einem tierischen Organismus entdeckt: Hepadnaviren. Zu dieser bisher nur bei Säugetieren und Vögeln bekannten Gruppe gehören auch die Hepatitis-B-Viren. Wie Retroviren schreiben auch sie bei Infektion einer Wirtszelle ihr RNA-Genom in DNA um. Jetzt haben die Forscher um Cédric Feschotte Fragmente dieser DNA in fünf verschiedenen Arten von Singvögeln nachgewiesen, darunter dem Zebrafinken und verwandten Finkenarten.
Einschleusung vor mindestens 19 Millionen Jahren
Da die Virenreste bei allen an der gleichen Stelle im Genom liegen, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass sie von einem gemeinsamen Vorfahren geerbt worden sind. Da dieser bei den fünf Arten vor mehr als 19 Millionen Jahren lebte, muss folglich auch das Virus mindestens so alt sein. „Sie sind hier seit mindestens 19 Millionen Jahren – weit länger als irgendjemand zuvor für möglich gehalten hätte“, erklärt Feschotte.
Eddie Holmes, Professor für Biologie an der Penn State Universität und renommierter Virenexperte kommentierte: „Während wir bisher bei der Hepadnavirus-Evolution nur in Zeitspannen von wenigen tausend Jahren dachten, zeigt diese Studie, dass die wahren Zeiten viele Millionen Jahre umfassen. Daher sind Hepadnaviren und vermutlich viele weitere Viren mit ihnen weitaus älter als wir bisher dachten.“
Virenreste überraschend ähnlich aktuellen Versionen
Überraschenderweise entpuppten sich die fossilen Versionen des Hepadnavirus als erstaunlich ähnlich den heutigen exogenen Varianten. Nach Ansicht der Forscher deutet diese langsame Evolution des Virus darauf hin, dass die Viren langfristig weitaus besser an ihre Wirte angepasst sind als bisher anhand von Untersuchungen am Hepatitis-B-Virus vermutet worden war.
Doch auch für die Bekämpfung und Prävention zukünftiger Pandemien könnten die neuen Erkenntnisse wichtige Hinweise geben. Viele Virusinfekte des Menschen haben ihren Ursprung in Vogelviren, die die Artschranke übersprungen haben, einige Grippestämme sind hierfür ein Beispiel. Die Studie zeigt, dass Vögel wie Spatzen oder Zebrafinken durchaus auch ein Reservoir für Hepatitis-ähnliche Viren sein könnten.
„In Anbetracht der Tatsache, dass diese Vögel in der Vergangenheit infiziert waren, ist es nur legitim davon auszugehen, dass einige von ihnen auch heute noch solche Viren tragen könnten“, so Clément Gilbert von der Universität von Texas. „Wir können daher diese Entdeckung als Leitfaden nutzen, um bestimmte Gruppen von Vogelarten näher auf die Präsenz von neuen Hepatitis-B-ähnlichen Viren zu untersuchen.“
(Public Library of Science / PloS Biology, 29.09.2010 – NPO)