Neurobiologie

Hirnstimulation beeinflusst Handwahl

Magnetische Stimulation stört internen Wettbewerb beider Hände im Gehirn

Eine Stimulation des linken parietalen Kortex führte dazu, dass die Testpersonen häufiger als zuvor die linke Hand für Bewegungen einsetzten. © Flavio Oliveira

Welche Hand wir für einfache Aufgaben wie den Griff nach einer Klinke oder Tasse einsetzen, entscheidet sich im Gehirn in einer Art internen Wettbewerb. Das zeigen in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ vorgestellte Experimente. Sie demonstrieren auch, dass Rechtshänder mittels transkranieller magnetischer Stimulation zur Bevorzugung der linken Hand gebracht werden können.

Nach einer Tasse Kaffee zu greifen oder den Fahrstuhlknopf zu drücken ist scheinbar eine einfache Aufgabe, an die wir im Alltag keinen Gedanken verschwenden. Doch für unser Gehirn steht dabei jedes Mal die Entscheidung an, welche Hand wir dafür nutzen. Verrechnet werden dabei unter anderem vergangene Erfahrungen, die relative Position der Hände und des Objekts. Zwar sind rund 80 Prozent der Menschen Rechtshänder, doch Beobachtungen zeigen, dass bei vielen einhändigen Tätigkeiten, die keine feinmotorischen Fähigkeiten erfordern, durchaus beide Hände eine Chance haben eingesetzt zu werden.

Versuche auf virtuellem Tisch

Wie das Gehirn allerdings innerhalb von Sekundenbruchteilen entscheidet, welche Hand die Aufgabe erledigt, war bisher kaum untersucht. Jetzt hat ein internationales Forscherteam unter Leitung von Flavio Oliveira von der Universität von Kalifornien in Berkeley zwei Experimente durchgeführt, die hier mehr Klarheit bringen. In beiden wurden 33 rechtshändige Probanden gebeten, auf einem Tischplattenmonitor virtuelle, an verschiedenen Orten angezeigte Gegenstände möglichst schnell mit den Fingerspitzen zu berühren. Über ein 3D-Trackingsystem und Sensoren an den Fingerspitzen wurden ihre Handbewegungen und die Reaktionszeit gemessen.

„Im ersten Experiment baten wir die Teilnehmer, die Objekte einhändig so schnell und genau wie sie konnten zu berühren – und dies unter drei verschiedenen Bedingungen: Bei zweien davon (nur links oder nur rechts) war eine Hand blockiert und damit von vornherein eine Hand für den gesamten Test vorausgewählt“, erklären die Forscher. „Bei der dritten Variante (Wahl) konnten die Probanden jede der beiden Hände nutzen.“

Handblockade macht Greifen schneller

Es zeigte sich, dass die Reaktionszeiten in den Versuchen mit nur einer verfügbaren Hand deutlich unter denen lagen, bei denen beide Hände zur Verfügung standen. Dies bestätigte die Vermutungen der Forscher, dass das Gehirn in letzterem Falle Zeit braucht, um intern eine Entscheidung über die konkurrierenden Hände zu treffen. Das allerdings geschieht unbewusst, denn für eine bewusste Entscheidung bleibt in solchen Situationen nicht genügend Zeit.

Und auch eine Vermutung, wo dieser Abwägungsprozess stattfindet, hatten die Forscher bereits: Sie lokalisierten ihn im posterioren parietalen Kortex (PPC), einem im hinteren Kopfbereich beiderseits des Scheitels liegenden Bereich der Hirnrinde. Um herauszufinden, ob dies stimmt, führten die Wissenschaftler eine zweite Versuchsserie durch, bei der sie den rechten oder linken parietalen Kortex der Probanden während des Experiments transkranieller magnetischer Stimulation (TMS) aussetzten. Die dabei erzeugten Magnetfelder störten leicht die Signalübertragung in diesem Bereich, der als Sitz der Bewegungssteuerung und Zentrum der Verarbeitung räumlicher Beziehungen gilt.

Das Ergebnis: Stimulation des linken parietalen Kortex führte dazu, dass die Probanden häufiger als zuvor die linke Hand für die Bewegungen einsetzten, auch dort, wo eigentlich die rechte unter Umständen günstiger gewesen wäre. Da der linke Kortex die Bewegungen der rechten Seite steuert, waren Verarbeitungsprozesse für die rechte Hand offenbar gestört und damit in der internen Konkurrenz der Hände unterlegen. „Man behindert die rechte Hand in diesem Wettbewerb und gibt der linken Hand damit einen bessere Chance zu gewinnen“, erklärt Oliveira.

Nach Ansicht der Autoren bestätigen ihre Versuche, dass bei so einfachen, spontanen Greif- oder Drückbewegungen die beiden Seiten des parietalen Kortex die Vorteile beider Hände gegeneinander abwägen und sich dann für eine Hand entscheiden. Dieser in Sekundenbruchteilen und unbewusst ablaufende Prozess scheint jedoch beispielsweise durch transkranielle Stimulation durchaus beeinflussbar zu sein. Dies könnte auch für therapeutische Anwendungen genutzt werden, beispielsweise in der Rehabilitation von Schlaganfallpatienten.

(University of California – Berkeley, 28.09.2010 – NPO)

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