Umwelt

BP-Ölleck als schlimmste Ölkatastrophe bestätigt

Erste unabhängige Studie kommt auf insgesamt 700 Millionen Liter ausgeflossenes Öl

Mit Hilfe einer ungewöhnlichen Methode haben Wissenschaftler das Ausmaß der Ölkatastrophe am Golf von Mexiko bestätigt. Auf Basis von Strömungsmustern in Unterwasservideoaufnahmen schätzten sie die Gesamtmenge des ins Meer geflossenen Öls auf 700 Millionen Liter. Wie sie in „Science“ berichten, macht dies die Deepwater Horizon-Ölpest zur schlimmsten in der Geschichte. Gleichzeitig ist ihre Studie die erste, die die Schätzmethoden offenlegt und per Peer-Review beurteilen lässt.

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Als die Ölbohrplattform Deepwater Horizon am 20. April 2010 im Golf von Mexiko explodierte und sank, hieß es von Seiten der Verantwortlichen, dass die Menge des ausfließenden Öls nicht gemessen werden könne. Dann, als der öffentliche Druck zunahm, rückte BP mit ersten Zahlern heraus, 1.000 Barrel seien es, so die ersten Verlautbarungen. Doch schnell kam heraus, dass bereits die Abfangeinrichtungen des Ölkonzerns weit mehr als diese Menge sammelten. Am 28. April schob die amerikanische Meeresforschungsbehörde NOAA eigene Schätzungen hinterher, die bei rund 5.000 Barrel lagen – auch dies immer noch zu wenig, wie sich zeigte.

Schätzmethoden bisher nie transparent

Die ausfließende Ölmenge zu schätzen ist nicht einfach, unter anderem wegen der Tiefe des Lecks und kaum Möglichkeiten, direkte Ausflussmessungen vorzunehmen. Doch erschwerend kam hinzu, dass weder BP noch die Regierungsbehörden die methodische Basis ihrer jeweiligen Schätzungen offenlegten. Bis zum Schluss blieben die Methoden geheim – und die Werte entsprechend umstritten.

Jetzt hat ein Forscherteam um den Meeresgeophysiker Timothy Crone, vom Lamont-Doherty Earth Observatory der Columbia Universität erstmals eine Studie veröffentlicht, in der die ausgeflossene Ölmenge von unabhängigen Wissenschaftlern detailliert analysiert und die eingesetzte Methodik offengelegt wird. Wie fast nicht anders zu erwarten liegen die von ihnen berechneten Volumen höher als die Schätzungen von BP und bestätigen erneut, dass die Deepwater Horizon-Ölkatastrophe die größte Ölverseuchung der Geschichte verursacht hat.

„Wir wollten eine unabhängige Schätzung durchführen, weil viele Leute das Gefühl hatten, dass die kursierenden Zahlen nicht unbedingt korrekt waren”, erklärt Crone. Ein genaues Wissen um die ausgetretene Ölmenge ist jedoch absolute Voraussetzung, um auch nach der Katastrophe die Folgen und Prozesse wissenschaftlich untersuchen und abschätzen zu können.

Strömungsturbulenzen als Volumenindikatoren

Für ihre Analyse nutzten Crone und seine Kollegin Maya Tolstoy die von ihnen ursprünglich zur Abschätzung der Flussraten hydrothermaler Schlote entwickelte Technik der so genannten „optischen Plume-Velocimetrie“. Sie beruht auf der Auswertung hochauflösender Videoaufnahmen von Unterwasserkameras, in denen die Turbulenzen und Strömungsmuster des ausströmenden Wassers – oder Erdöls – Pixel für Pixel analysiert wird. In ein komplexes Modell eingespeist, lässt sich daraus die Geschwindigkeit und das Volumen der austretenden Flüssigkeit berechnen.

Für ihre Analyse der Deepwater-Katastrophe waren die Forscher auf die Unterwasser-Videoaufnahmen angewiesen, die BP veröffentlicht und freigegeben hatte. Basierend auf den Ereignissen teilten sie ihre Messungen in zwei Perioden ein: Die erste reicht vom 22. April bis zum 3. Juni und erfasst die Zeit, als das Öl aus der geborstenen Leitung sprudelte. Die zweite erfasst die Zeit, nachdem die Leitung gekappt und das Öl so zeitweilig ungehindert ausströmen konnte.

10,8 Millionen Liter pro Tag

Für die erste Phase kommen die Forscher auf eine Ölmenge von 8,9 Millionen Liter pro Tag. Nach dem Kappen der Leitung stieg dies auf 10,8 Millionen Liter täglich. Insgesamt sind während der Katastrophe knapp 700 Millionen Liter Erdöl in den Golf von Mexiko geflossen – die von BP abgeleiteten oder sonstwie eingefangenen Mengen bereits abgerechnet. Diese Menge entspricht in etwa den letzten Schätzungen der US-Behörden.

Grundstock für weitere Studien

Wegen der nur bruchstückenhaften Abdeckung des Zeitraums durch das Videomaterial betonen die Wissenschaftler, dass ihre Schätzungen nur eine erste Annäherung sein können. „Wir sehen ganz klar die Grenzen unserer Technik, es ist unwahrscheinlich, dass wir die genaue Zahl jemals wissen werden“, so Crone. So wurden Tagesschwankungen nicht erfasst und auch die Ausflüsse der anderen kleineren Lecks gingen nicht in die Analyse mit ein. Die echten Zahlen seien daher sicher noch höher.

Doch Crone und seine Kollegin hoffen, mit mehr Videomaterial die Schätzungen präzisieren zu können. “Dies ist nicht das letzte Wort“, so Tolstoy. „Es ist aber das erste Wort, das durch eine Peer-Review gegangen ist. Ian MacDonald, Ozeanograph an der Florida State Universität, erklärt in einem Kommentar zur Studie: „Dies ist ein sehr willkommenes Paper, da es einen Einblick gibt, wie die Rate des Ölflusses kalkuliert wurde. Sie bietet eine Transparenz in der Methodik und eine Basis für die Peer Review eines bisher verwirrenden und unsicheren Prozesses.“

(The Earth Institute at Columbia University, 24.09.2010 – NPO)

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