Auf dem Mars könnte es doch organische Verbindungen im Untergrund geben – entgegen der bisherigen Interpretation der Viking-Daten aus den 1970er Jahren. In einem Experiment haben Planetenforscher nun belegt, dass ein vor kurzem im Marsboden entdecktes Molekül beim Erhitzen organische Verbindungen in genau die Verbindungen zerlegt, die Viking nachgewiesen hatte. Damals als Kontamination abgeschrieben, könnten sie stattdessen auf die Präsenz von Kohlenwasserstoffen und damit organischen Verbindungen im Marsuntergrund hindeuten.
Die beiden Raumsonden Viking 1 und 2 waren 1976 die ersten Raumfahrzeuge überhaupt, die auf dem Mars landeten. Sie waren mit vier Experimentierpaketen ausgerüstet, die unter anderem Bodenproben des Mars auf ihre Zusammensetzung hin untersuchten. Als der Gaschromatograph die Präsenz organischer Moleküle in Form von Chloromethan und Dichloromethan feststellte, war die Aufregung zunächst groß. Doch diese Chlorverbindungen wurden bald als Kontamination durch irdische Reinigungsmittel interpretiert.
Fund des Phoenix-Lander als Anstoß
Jetzt jedoch haben Forscher der NASA und der Nationaluniversität von Mexiko in Mexico City die Viking-Ergebnisse neu analysiert und interpretiert. Anstoß dafür gab ein Fund der Marssonde Phoenix Lander, der 2008 in marsianischen Bodenproben das Molekül Perchlorat nachwies. Diese Verbindung wirkt beim Erhitzen stark oxidierend und kann auch organische Moleküle zerstören. Und genau dies ist nach Meinung der Forscher auch damals bei den Viking-Proben passiert. Ihre Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift „Journal of Geophysical Research – Planets“ erschienen.
Rätselhafter Mangel an organischen Molekülen
„Der Mangel an organischen Verbindungen war eine große Überraschung der Viking-Missionen“, erklärt Chris McKay vom Ames Forschungszentrum der NASA in Moffet Field, Kalifornien. „30 Jahre lang starrten wir auf ein Puzzle, bei dem ein Teil fehlte. Phoenix hat jetzt das fehlende Puzzleteil geliefert: Perchlorat. Die Entdeckung des Perchlorat im Marsboden ist eine der wichtigsten Ergebnisse der Marsforschung seit Viking.“
Organische Bestandteile werden nicht nur durch Leben gebildet, sondern auch auf nicht-biologische Weise. Viele Meteoriten, die in den letzten Milliarde Jahren auf der Erde – und auch auf dem Mars – einschlugen, enthielten solche Kohlenwasserstoffe. Umso erstaunlicher war es, dass die Viking-Sonden damals keine Spuren selbst dieser Verbindungen fanden. Um nachzuvollziehen, was in den Viking-Proben geschehen sein könnte, versetzten die Wissenschaftler Bodenproben aus der chilenischen Wüste mit ein wenig Perchlorat und führten dann daran genau die Analysen aus, wie sie auch Viking auf dem Mars unternommen hatte.
Doch Kohlenwasserstoffe im Marsboden?
Zum großen Erstaunen der Forscher wies der Gaschromatograph, der die Zusammensetzung von Proben durch Erhitzen und Analysieren der entstehenden Gase misst, genau die Moleküle nach, die auch bei Viking vorkamen: Chloromethan und Dichloromethan. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass nicht nur organische Verbindungen, sondern auch Perchlorat im Boden beider Viking-Landegebiete vorhanden gewesen sein könnte“, erklärt Rafael Navarro-González von der Nationaluniversität Mexiko.
„Es könnte, vermischt mit organischen Verbindungen, Milliarden Jahre im marsianischen Untergrund vorhanden gewesen sein, ohne diese zu zersetzen. Aber wenn man den Boden erhitzt, um nach den organischen Verbindungen zu suchen, zerstört sie das Perchlorat sehr schnell“, so sein Kollege McKay. „Das sagt nichts über die Frage ob es Leben auf dem Mars gab, aber es könnte einen großen Unterschied dafür bedeuten, wie wir nach Belegen für Antworten auf diese Frage suchen.“
Isotopenverhältnis könnte Beweis liefern
Nachdem der Phoenix Lander, der das Perchlorat auf dem Mars entdeckte, inzwischen stillgelegt ist, erhoffe sich die Planetenforscher nun weiteren Aufschluss von einem Folgeprojekt, dem Curiosity Rover, einem mit Probenanalysemodul und Greifarm ausgerüsteten Marsfahrzeug, dass 2012 auf dem Mars landen soll. Wegen seiner Beweglichkeit kann er Proben in größerem Umkreis nehmen als der Phoenix Lander. Sein Analysepaket ermöglicht es ihm zudem, Proben mit einer alternativen Methode zu analysieren, die eine weniger starke Erhitzung erfordert.
Er könnte auch klären, welche Isotopenzusammensetzung das marsianische Chlor besitzt. Denn das typisch erdähnliche Isotopenverhältnis in den Viking-Proben war einer der Hauptgründe, warum die Chlorverbindungen als irdische Verunreinigung eingestuft worden waren. Sollte sich das Isotopenverhältnis der zukünftig auf dem Mars gefundenen Proben als völlig anders entpuppen, wäre dies eine Bestätigung für die damalige Viking-Interpretation. Ist es jedoch tatsächlich auch auf dem Roten Planeten erdähnlich, dann wäre dies ein Beleg dafür, dass die organischen Chlorverbindungen doch marsianischen Ursprungs wären und es damit organische Verbindungen im Marsuntergrund gibt.
(NASA/JPL, 10.09.2010 – NPO)