Klima

Klimawandel: Kann „Geo-Engineering“ die Erwärmung stoppen?

Simulation testet fünf technische Methoden zur Minderung des CO2 oder der Sonneneinstrahlung

Zur Bekämpfung des Klimawandels werden immer häufiger auch technische Lösungen diskutiert. Jetzt hat ein internationales Forscherteam Wirksamkeit, Kosten und Risiken von fünf solcher „Geo-Engineering“-Methoden im Modell getestet. Ihr in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences” (PNAS) veröffentlichtes Ergebnis: Die meisten Verfahren sind zu teuer, zu riskant und die Meeresspiegel werden vermutlich trotzdem um 30 Zentimeter bis 2100 steigen.

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Klimaforscher sind sich einig, dass die anthropogenen Treibhausgas-Emissionen schnell und drastisch reduziert werden müssen, um zukünftige, durch die globale Erwärmung verursachte Klimafolgen wie beispielsweise einen verstärkten Meeresspiegelanstieg zu verhindern. Doch bisher sieht es so aus, als wenn diese Maßnahmen weder in der Intensität noch in der nötigen Schnelligkeit erfolgen werden. „Der durch den Klimawandel verursachte Meeresspiegelanstieg könnte rund 150 Millionen Menschen betreffen, die in flachen Küstengebieten leben, darunter auch einige der größten Städte der Welt“, erklärt Svetlana Jevrejeva vom National Oceanography Centre in Southampton.

Gezielte Eingriffe in Atmosphäre und Strahlungsbilanz

Was aber wäre der „Plan B“, um schwerwiegende Folgen von diesen Regionen abzuwenden? Nach Ansicht einiger Forscher gäbe es neben Schutz- und Anpassungsmaßnahmen auch die Möglichkeit, durch „Geo-Engineering“ entweder die Menge des auf der Erde einfallenden Sonnenlichts oder aber Teile des Kohlenstoffkreislaufs zu beeinflussen. So existieren beispielsweise Vorschläge, gezielt Schwefel-Aerosole in die Atmosphäre zu pumpen, um dadurch einen Abkühlungseffekt ähnlich dem eines „vulkanischen Winters“ zu erzeugen. Die winzigen Schwebteilchen absorbieren und reflektieren einen Teil des einfallenden Sonnenlichts und verringern damit die Wärmeeinstrahlung.

Andere Ideen sehen vor, große Waldflächen anzulegen und gezielt Biomasse zu verkohlen, um Kohlendioxid zu binden und aus der Atmosphäre zu entfernen. Eine weitere Möglichkeit ist die Verbrennung pflanzlicher Rohstoffe unter Abscheidung und Speicherung des freiwerdenden Kohlendioxids. Etwas exotischer ist der Plan, Spiegel in der Erdumlaufbahn zu stationieren, die einen Teil des Sonnenlichts einfangen und ins Weltall reflektieren sollen.

Simulation testet Wirkung von Geotechnologie-Maßnahmen

Um herauszufinden, in wie weit solche technischen Lösungen überhaupt wirksam sein könnten, haben jetzt Wissenschaftler aus Peking, Kopenhagen und Southampton das Verhalten des Meeresspiegels bei Einsatz dieser fünf Geo-Engineering-Maßnahmen und CO2-Emissions-Szenarios modelliert. Als Datenbasis nutzen die Forscher sowohl Pegelmesswerte als auch Klimadaten der letzten Jahrtausende.

„Wir haben 300 Jahre an Pegelmessdaten genutzt um zu rekonstruieren, wie die Meeresspiegel historisch auf Veränderungen in der von der Sonne auf die Erde einstrahlende Wärmemenge, kühlende Effekte von vulkanischen Eruptionen und vergangene menschliche Aktivitäten reagiert haben“, erklärt Jevrejeva. „Wir haben diese Information dann eingesetzt, um zu simulieren, wie sich die Meeresspiegel in den nächsten 100 Jahren unter Einfluss von Geo-Engineering-Maßnahmen ändern.“

30 Zentimeter Anstieg trotz Maßnahmen

Die Auswertung der Daten ergab, dass die Meeresspiegel bis 2100 wahrscheinlich um 30 Zentimeter gegenüber dem Jahr 200 ansteigen werden – trotz Klimaschutz und Geo-Engineering. Eine Verringerung unter dieses Maß wäre nur mit dem strengsten Klimaschutzszenario und den aggressivsten technischen Maßnahmen zu erzielen. Solche Eingriffe könnten dann zwar Temperaturveränderungen erreichen, die weitaus größer wären als alle durch Vulkanismus der letzten 100.000 Jahre oder durch natürliche Schwankungen der Sonneneinstrahlung in den letzten 8.000 Jahren verursachten. Doch Kosten und Risiken wären enorm.

Aufschub um 40-80 Jahre durch Aerosol-Injektion

So könnte eine Injektion von Schwefel-Aerosolen in die obere Atmosphäre alle 18 Monate in einer Menge, die der beim Ausbruch des Pinatubo im Jahr 1991 freigesetzten entspricht, tatsächlich die Temperaturen senken und den für 2100 prognostizierten Meeresspiegelanstieg immerhin um 40 bis 80 Jahre verzögern. Die so verursachte Aerosolhülle würde die Meeresspiegel in dieser Zeit nahe dem Niveau von 1990 halten.

Risiken unkalkulierbar, Kosten enorm

Doch die Forscherin warnt auch davor, eine solche Maßnahme als vermeintlich einfache Lösung für das Meeresspiegelproblem anzusehen. „Wir wissen einfach nicht, die das System Erde auf eine Geo-Engineering-Maßnahme in einem so großen Maßstab reagieren würde“, erklärt sie. Die Effekte auf Ökosysteme und das Klimasystem seien bisher kaum verstanden und auch die Kosten für ein solches Verfahren seien sehr hoch. Ähnliches gelte auch für den Einsatz von Orbitalspiegeln, die zwar wirksam seien, wie die Modelle zeigen, aber für die der technische Aufwand und die Kosten seien immens.

Chance für Bioverkohlung und CO2-Abscheidung

Nach Ansicht der Wissenschaftler wäre das vielleicht risikoärmste und daher wünschenswerteste Verfahren die Bioenergieerzeugung mit Kohlenstoffabscheidung und –speicherung (Bioenergy with Carbon Storage, BECS). Geeignete Pflanzen könnten dafür in großem Maßstab abgebaut werden und das bei ihrer Verbrennung oder Fermentation anfallende CO2 abgeschieden und in Untergrundreservoirs als Gas oder aber in Form von Kohle gelagert werden. Der Einsatz dieser Methode könnte, ähnlich wie auch die aktive, chemisch-technische Filterung und Entfernung von CO2 aus der Luft, die Treibhausgaskonzentrationen langfristiger reduzieren und sogar auf vorindustrielles Niveau herabsenken.

Dennoch fällt das Fazit der Wissenschaftler eher wenig hoffnungsvoll aus. „Die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen durch Geo-Engineering zu ersetzen würde zukünftige Generationen mit einem enormen Risiko belasten“, so Jevrejeva.

(National Oceanography Centre Southampton, 25.08.2010 – NPO)

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