Menschen, die ein Körperteil verloren haben, leiden nicht nur unter Wund- sondern häufig auch unter Phantomschmerzen. Letztere halten meist das ganze Leben lang an. Wissenschaftler haben jetzt aber eine Möglichkeit gefunden, den Betroffenen zu helfen. Sie veränderten herkömmliche Handprothesen so, dass Phantomschmerzen nach einer Unterarmamputation reduziert werden können.
„Phantomschmerzen sind nur sehr schwer zu behandeln“, sagt Professor Dr. Thomas Weiß von der Universität Jena. „Meist zeigen sich diese als ausgesprochen therapieresistent.“ Häufig blieben die Symptome bestehen, trotz hoher Dosen von Schmerzmedikamenten. Die Gefahr sei groß, dass die Patienten dadurch in eine Medikamentenabhängigkeit geraten.
Rückmeldung von der Prothese
Der Forscher und seine Kollegen können den betroffenen Patienten jetzt mit ihrer neuen Handprothese Hoffnung auf Linderung machen. Ein zentraler Bestandteil der Neuentwicklung ist eine Stimulationseinheit, die über eine Manschette mit dem Oberarmstumpf des Patienten verbunden ist.
„Zwischen Daumen und Zeigefinger sowie am Daumen der Handprothese befinden sich Drucksensoren“, erläutert Professor Dr. Dr. Gunther Hofmann von der Jenaer Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie. Ursprünglich sollten diese lediglich dazu dienen, die Griffstärke der künstlichen Hand zu regulieren – je nachdem, ob man ein rohes Ei oder einen Hammer greifen will. „Unser System überträgt diese sensorischen Informationen nun auch von der Hand an den Oberarm“, so Hofmann.
„Auf diese Weise erhält das Gehirn eine Rückmeldung von der Prothese, als wäre es die eigene Hand“, ergänzt Weiß und verweist auf eine Ursache für Phantomschmerzen: Die Gehirnstrukturen, die ursprünglich für die Reizverarbeitung aus dem Arm zuständig waren, sind nach dessen Verlust plötzlich „arbeitslos“. Deshalb komme es zu einer Umstrukturierung der Gehirnbereiche.
Umstrukturierung im Gehirn verhindert
„Diese Areale übernehmen stattdessen die Verarbeitung von sensorischen Reizen aus anderen Körperteilen, vor allem aus dem Armstumpf und dem Gesicht“, so der Jenaer Psychologe. Dadurch komme es dort zu verstärkten, häufig schmerzhaften Empfindungen – den Phantomschmerzen.
Durch die Rückkopplung zwischen neuer Hand und Gehirn, wie sie das Jenaer System ermöglicht, soll die Umstrukturierung im Gehirn verhindert bzw. rückgängig gemacht werden. „Erste Patienten haben das System getestet und als sehr positiv empfunden“, sagt Hofmann.
Noch viel Testbedarf für die Neuentwicklung
Nun gehe es jedoch darum, die mit dem Rückkopplungssystem ausgestatteten Prothesen von möglichst vielen Patienten testen zu lassen, um genügend Erfahrungen zu sammeln.
„Wir wollen wissen, ob die Übertragung der sensorischen Informationen aus der Hand nur einzelnen Patienten hilft oder ob sie als Therapeutikum für alle Prothesenträger geeignet ist“, erklärt Weiß.
(idw – Universität Jena, 09.08.2010 – DLO)