Hohe Cholesterinwerte und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind – zumindest zum Teil – auch genetisch bedingt. Eine erste genomweite und internationale Assoziationsstudie identifizierte 95 Genorte, die den Fettstoffwechsel im menschlichen Organismus beeinflussen. Die jetzt in „Nature“ veröffentlichten Ergebnisse eröffnen langfristig neue Perspektiven auch für die Prävention und Therapie von Herz-Kreislauf- Erkrankungen.
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Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind in Deutschland immer noch Todesursache Nummer Eins. Fast jeder zweite Todesfall in Deutschland geht auf eine Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems zurück. Erhöhte Blutfettwerte zählen zu den wichtigsten Risikofaktoren für Herzerkrankungen. Eine große internationale Studie, initiiiert vom Global Lipids Genetics Consortium und unter Beteiligung des Helmholtz Zentrums München, hat nun den Zusammenhang zwischen Genvariationen für Blutfettwerte und Herz-Kreislauf-Erkrankungen belegt.
Daten von mer als 100.000 Probanden
In die Metaanalyse flossen Daten aus 46 genomweiten Assoziationsstudien mit insgesamt über 100.000 Probanden ein. Eine wichtige Datenquelle war dabei auch die Bevölkerungsstudie KORA des Helmholtz Zentrums München. Im Rahmen der Auswertungen wandten die Wissenschaftler eine Vielfalt von methodischen Ansätzen an: Unter anderem verglichen sie mehr als zweieinhalb Millionen DNA-Bausteine aus Bevölkerungsgruppen europäischer und nicht-europäischer Herkunft, analysierten Genvarianten von Patienten mit besonders hohen Blutfettwerten und bestätigten einige ihrer Ergebnisse aus den Genomanalysen im Mausmodell.
95 Genorte mit Verbindung zum Fettstoffwechsel
Vor allem zwei Fragen standen bei der Studie im Vordergrund: Finden sich an den Genorten wirklich Gene mit direkter Bedeutung für den Fettstoffwechsel und zweitens haben sie überhaupt Bedeutung für mögliche therapeutische Ansätze? Diese Fragen konnten die Wissenschaftler am Ende eindeutig mit ja beantworten. Sie machten 95 Genorte im menschlichen Erbgut ausfindig, die jeweils mit
mindestens einer der vier wichtigsten Größen des Fettstoffwechsels in Zusammenhang stehen,
Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin und Triglyceriden.
Ansatzpunkte auch für Therapien
„Mit dieser Analyse ist es uns sogar gelungen, Genvarianten zu finden, die nicht nur mit erhöhten Fettwerten sondern zugleich mit Herz-Kreislauf- Erkrankungen assoziiert sind“, erklärt Christian Gieger vom Institut für Epidemiologie des Helmholtz Zentrum München. „Häufig wird argumentiert, dass große Metaanalysen mit mehr als 100.000 Probanden für die Biologie komplexer Erkrankungen wenig Aussagekraft besitzen“, ergänzt sein Kollege Professor H.-Erich Wichmann, Direktor des Instituts für Epidemiologie. „Unsere Studie widerlegt diese These eindrucksvoll. Einige der neu entdeckten Genorte besitzen vielmehr klare biologische und klinische Relevanz.“
Professor Thomas Meitinger, Direktor des an der Studie ebenfalls beteiligten Instituts für Humangenetik am Helmholtz Zentrum ergänzt „Bei genauerer Untersuchung der Genorte haben wir sogar Genvarianten gefunden, von denen wir wissen, dass sie einen molekularen Ansatzpunkt für cholesterinsenkende Medikamente bieten. Das heißt, diese Genvarianten erhöhen das Potiential für neue Zielstrukturen und damit therapeutische Ansätze“.
(Helmholtz Zentrum München, 05.08.2010 – NPO)