Es gibt einen neuen, viel versprechenden Therapie-Ansatz gegen Darmkrebs: Forscher haben eine Substanz aus Bakterien identifiziert, die Darmtumoren bekämpft. Das Protein reaktiviert das Selbstmordprogramm der Krebszellen, greift aber auch gezielt deren Blutversorgung an. Das Zulassungsverfahren, um den Wirkstoff in Zukunft als Medikament einsetzen zu können, läuft bereits.
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Darmkrebs ist die zweithäufigste Krebsart in Deutschland: 39.000 Männer und 34.000 Frauen erkranken jedes Jahr neu daran. Rund 28.000 Betroffene sterben jährlich an einem bösartigen Tumor des Darms. Die Heilungschancen liegen im Durchschnitt bei 60 Prozent, die wichtigste Waffe dabei ist bisher die Früherkennung. Die Suche nach neuen Wirkstoffen gegen Krebserkrankungen ist daher ein wichtiges Ziel der aktuellen Krebsforschung. Jetzt haben Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover hier einen wichtigen Durchbruch erzielt.
Protein aus Myxobakterien
Das Team um Professor Nisar Malek vom Institut für Molekularbiologie und der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie hatte rund 200 Naturstoffe und mehrere Tausend synthetische Substanzen auf ihre Wirksamkeit gegen Darmkrebs getestet. Im Experiment fiel den Wissenschaftlern dabei Argyrin, ein Protein aus so genannten Myxobakterien, besonders auf. „Myxobakterien haben sich bereits als wahre Fundgrube für mögliche Medikamente gezeigt, beispielsweise gegen Brustkrebs“, erklärt Malek. „Von Argyrin war jedoch bisher nur bekannt, dass es das Immunsystem hemmt.“
Argyrin aktiviert Selbstmordprogramm
Nach den neuen Erkenntnissen der Forscher kann dieser Wirkstoff aber auch in der Krebstherapie eingesetzt werden: Er stoppt das Tumorwachstum und löst das Signal zum freiwilligen Selbstmord der Krebszellen aus. Argyrin greift in den fein abgestimmten Mechanismus der Zellteilung ein, der durch das Protein p27 gesteuert wird. p27 ist in allen gesunden Zellen vorhanden und wirkt als Zellteilungsbremse.
In vielen Tumorzellen ist dies anders: Die bösartig veränderte Zelle bekommt das Signal, p27 abzubauen. Damit ist die Bremse gelöst und die Zelle teilt sich unaufhörlich. „Die Überlebensraten von Krebs-Patienten sind besonders schlecht, wenn in ihren Krebszellen wenig oder kein p27 vorzufinden ist“, sagt Malek. Der Wissenschaftler hat diesen Zusammenhang bei Patienten mit Dickdarm-, Eierstock-, Prostata-,Blasen- und Speiseröhrenkrebs beobachtet.
Baldiger Einsatz am Patienten möglich
„Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass der Abbau von p27 insbesondere beim Entstehen von Darmkrebs sehr bedeutend ist“, fasst Malek zusammen. „Im Vergleich zur standardmäßig eingesetzten Chemotherapie hat Argyrin deutlich geringere Nebenwirkungen“, so Malek. „Es löst beispielsweise keine Durchfälle aus.“
Ein weiterer Vorteil ist, dass Argyrin gezielt die Blutgefäße angreift, die einen Tumor versorgen. Diese Wirkung ist neu: Bisher gibt es nur Medikamente, die verhindern, dass neue Blutgefäße im Tumor gebildet werden. Die Ergebnisse werden Krebs-Patienten schon bald zu Gute kommen, denn Argyrin wurde kürzlich zum Patent angemeldet. Derzeit läuft das Zulassungsverfahren für den therapeutischen Einsatz.
(Deutsche Krebshilfe, 29.07.2010 – NPO)