Medizin

Aids-Konferenz: Prävention als Schlüsselfaktor

Neuinfektionen noch immer zu hoch

Eröffnung der Aids-Konferenz in Wien © IAS/SteveForrest/Workers' Photos

Rund 20.000 Teilnehmer aus über 185 Ländern sind seit Sonntag zur 18. Internationalen Aids-Konferenz (AIDS 2010) in Wien versammelt. Noch bis Freitag, 23. Juli, werden neben dem wissenschaftlichen Programm und neuesten Daten zur Lage der HIV-Infektionen weltweit auch Strategien zur Prävention und Therapie im Mittelpunkt der Diskussionen und Sitzungen stehen.

Die Wahl Wiens zur Gastgeberstadt für AIDS 2010 wurde auch aufgrund seiner räumlichen Nähe zu Osteuropa und Zentralasien getroffen, einer Region, in der sich die Epidemie vor allem durch

den intravenösen Drogengebrauch besonders schnell verbreitet. Zwar hat sich die HIV-Epidemie weltweit stabilisiert, wie Yves Souteyrandvon der Weltgesundheitsorganisation WHO gestern erklärte. So konnte ein Rückgang der aidsbedingten Todesfälle von 2,2 Millionen im Jahr 2004 auf zwei Millionen 2008 festgestellt werden, was größtenteils auf die Ausweitung der HIV-Behandlung zurückzuführen sei.

Neuinfektionen noch immer hoch

„Doch noch haben wir HIV mit 2,7 Millionen jährlichen Neuinfektionen nicht im Griff“, so der Forscher. „Weltweit ist die Zahl der Neuinfektionen in einigen Schlüsselgruppen der Bevölkerung wie Migranten, Männer, die gleichgeschlechtliche Sexualkontakte haben, und injizierende Drogenkonsumenten besonders hoch. Diese Gruppen sind sozialer Ausgrenzung, Diskriminierung und sogar Kriminalisierung ausgesetzt, was bisher die Schaffung einer soliden epidemiologischen Wissensbasis verhindert hat.“

Soziale, wirtschaftliche und politische Herausforderungen sah auch Paula Akugizibwe von der AIDS and Rights Alliance of Southern Africa als Haupthindernisse auf dem Weg zu einem universellen Zugang zu Prävention und Therapie. „Für rascheren Fortschritt und nachhaltigen Erfolg ist dringend

notwendig, dass HIV-Maßnahmen auf konkreten Grundsätzen der Menschenrechte begründet sind“, so Akugizibwe. „Zu wesentlichen Schritten in diese Richtung gehört die Aufhebung von Gesetzen, die die HIV-Übertragung kriminalisieren und Menschen, die mit HIV leben, sexuelle Minderheiten sowie Sexarbeiter ausgrenzen. Durch solche Gesetze werden Stigmata tief verankert und dringend

benötigte HIV-Maßnahmen verhindert.“

„Wiener Erklärung“ unterzeichnet

In eine ähnliche Richtung ging auch die bereits im Vorfeld der Konferenz lancierte „Wiener Erklärung“, die bereits weltweit von Nobelpreisträgern und Entscheidungsträgern in Wissenschaft, Medizin, Wirtschaft, der Zivilgesellschaft sowie von Hunderten Organisationen und den ehemaligen Präsidenten Kolumbiens, Brasiliens und Mexikos unterstützt wurde. Die Erklärung enthält den Aufruf zu einer Umorientierung in der Drogenpolitik weg vom „War on Drugs“-Leitsatz hin zu einem wissenschaftlich begründeten Zugang, der die Menschenrechte und medizinischen Bedürfnisse jener Menschen anerkennt, die illegale Drogen gebrauchen. Der gegenwärtige Ansatz stand Bemühungen im Wege, HIV durch den Einsatz von Maßnahmen wie Nadel- und Spritzenaustauschprogrammen und Opioidsubstitutionstherapie (OST) vorzubeugen.

Bill Gates auf der Welt-Aids-Konferenz in Wien © IAS/SteveForrest

Mehr Geld für Fonds gegen die „großen Drei“

Noch im Rahmen des Konferenzauftakts richteten Wissenschaftler, Politiker und Interessenvertreter einen Apell an Staatsoberhäupter weltweit, dem globalen Fonds zur Bekämpfung der „großen Drei“, Aids, Tuberkulose und Malaria, weitere Mittel zur Verfügung zustellen. Unter ihnen auch Microsoft-Gründer Bill Gates, der im Rahmen seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Bill & Melinda Gates Stiftung ebenfalls an alle Länder appellierte, , den Kampf gegen HIV/AIDS weiter aufrecht zu erhalten. Die Welt habe eine historische Möglichkeit „das Gesicht von AIDS zu verändern“, so Gates. Die Behandlung HIV-infizierter Menschen rette Millionen von Leben. Gates mahnte jedoch auch dazu, der Reduzierung von HIV-Neuinfektionen wieder größere Bedeutung beizumessen „Wir können die Zahl der HIV-Neuinfektionen drastisch senken und damit beginnen, die Geschichte über das Ende von AIDS zu schreiben.“

Modellfall Simbabwe

Die Auswirkungen, die gezielte AIDS-Investitionen bis zum Jahr 2031 erreichen könnten, zeigen neue Hochrechnungen, die Forscher am Imperial College London im Auftrag der Gates Foundation erstellt haben. Die Simulationen konzentrieren sich auf zwei Regionen in Afrika, die von verschiedenen Arten der HIV-Epidemie betroffen sind: Im ländlichen Simbabwe, wo HIV unter großen Teilen der Bevölkerung verbreitet ist, werden in den nächsten 20 Jahren 700.000 Neuinfektionen prognostiziert. Eine Auswertung der vorhandenen Präventionsmaßnahmen – darunter die Beschneidung bei Männern und antiretrovirale Behandlungen – könnten die jährlichen HIV- Neuinfektionen bis 2031 um 38 Prozent reduzieren. Die zusätzliche Verbreitung eines wirksamen Impfstoffes sowie von PrEP und Mikrobiziden könnten die jährlichen Neuinfektionen im gleichen Zeitraum um bis zu 90 Prozent senken.

…und Benin

Im städtischen Benin sind dagegen überwiegend Prostituierte und ihre Kunden mit dem HIV-Virus infiziert. In den nächsten 20 Jahren werden über 100.000 Neuinfektionen erwartet. Das Aufstocken von schon vorhandenen Präventionsmassnahmen, die sich an die Zielgruppe der Prostituierten richten – wie das Werben für Kondome oder Behandlungsangebote – könnte die Rate an jährlichen Neuinfektionen bis 2031 um 46 Prozent senken. Würde man parallel einen Impfstoff, PrEP und Mikrobizide unter den Prostituierten verbreiten, könnte die Rate der jährlichen Neuinfektionen in Benin um bis zu 90 Prozent reduziert werden.

„Das meiste aus jedem AIDS-Dollar machen“

Gates erklärte in seiner Ansprache, dass die Bereitstellung von Geldmitteln entscheidend sei, um weitere Fortschritte im Kampf gegen AIDS zu erreichen. Die Welt brauche jedoch auch eine neue Fokussierung auf die Effizienz der AIDS-Bekämpfung – in Bezug auf Prävention und Behandlung. „Wir müssen ehrlich mit uns selbst sein: Wir können die AIDS-Ressourcen zukünftig nicht in der gleichen Art und Weise einsetzen wie wir es heute tun“, betonte Gates. „Während wir uns weiterhin für mehr Hilfsmittel einsetzen, müssen wir den größtmöglichen Nutzen aus jedem einzelnen AIDS-Dollar – und jeder noch so kleinen Anstrengung – sicherstellen.“

Website der Konferenz

(AIDS 2010, Bill&Melinda Gates Foundation, 20.07.2010 – NPO)

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