Ökologie

Firmenchefs besorgt wegen Artensterben

Biodiversität inzwischen auf der Tagesordnung der Unternehmen

Cover TEEB – The Economics of Ecosystems and Biodiversity Report for Business - Executive Summary 2010 / UNEP © TEEB / UNEP

Jeder vierte Geschäftsführer internationaler Firmen sieht im Rückgang der Artenvielfalt ein strategisches Problem für das Wirtschaftswachstum. Lateinamerikanische und Afrikanische Verantwortliche sind am meisten besorgt über die Auswirkungen des Verlusts an Biodiversität auf die Wachstumsperspektiven – Europäische Geschäftsführer am wenigsten, so der Business-Report der Studie „The Economics of Ecosystems and Biodiversity“ (TEEB), der heute auf dem „1st Global Business for Biodiversity Symposium“ in London vorgestellt wird.

Die Ergebnisse zeigen zudem, dass jene Firmenchefs, die es nicht schaffen, ein nachhaltiges Management der Biodiversität zu einem Teil ihrer Geschäftspolitik zu machen, zunehmend zu Außenseitern werden könnten. Die TEEB-Wissenschaftler verweisen in ihrem Bericht darüberhinaus auf eine andere, kürzlich erschienene Studie. Diese hat gezeigt, dass unter den Konsumenten das Interesse an der Thematik steigt: Über 60 Prozent in Nordamerika und Europa sowie über 90 Prozent in Brasilien sind über den Rückgang der Artenvielfalt besorgt. Über 80 Prozent der befragten Konsumenten sagten, dass sie keine Produkte von Firmen kaufen wollen, die nicht auf ethische Aspekte bei der Beschaffung ihrer Ausgangsprodukte achten.

Der “TEEB for Business”-Report zeigt, dass eine genaue Überprüfung des Finanzkapitals von Firmen und seiner Auswirkungen auf das „natürliche Kapital” wahrscheinlich zu besseren Bewertungs- und Bemessungsmethoden führen wird. Die britische Unternehmensberatung TruCost erstellt im Namen der „UN-Prinzipien für verantwortliches Investment“ eine Studie zu den Aktivitäten der Top 3000 Unternehmen der Welt, deren negativer Effekt auf die Umwelt auf insgesamt 2,2 Billionen US-Dollar pro Jahr geschätzt wird.

Ökonomische Bedeutung der Biodiversität wird sichtbar

„Durch die Arbeit von TEEB und anderen wird die ökonomische Bedeutung der Biodiversität mehr und mehr sichtbar“, so Pavan Sukhdev, der Leiter der TEEB-Studie und der Green-Economy-Initaitive der UNEP. „Es ist daher nahe liegend, dass Unternehmen in verschiedenen Bereichen auf unterschiedlichen Kontinenten die Botschaft zunehmend verstehen und handeln, um eine nachhaltigere Wirtschaft des 21. Jahrhunderts aufzubauen.“

Der TEEB for Business-Bericht sowie weitere, die im UN-Jahr der Biodiversität veröffentlicht wurden, rufen Unternehmen auf, Umwelt-Konzepte wie „No Net Loss“, „Ecological Neutrality“ und schließlich „Net Positive Impact“ umzusetzen. „Wir treten in eine Epoche, wo die Billionen-Dollar-Verluste an natürlichen Ressourcen beginnen, die Märkte zu prägen und die Konsumenten zu beängstigen. In einer Welt, deren Bevölkerung bis 2050 von sechs auf neun Milliarden Menschen wachsen wird, wird der Umgang mit Biodiversitätsrisiken für das Profil und die Rentabilität von Unternehmen immer mehr an Bedeutung gewinnen“, betont Achim Steiner, Direktor des UN-Umweltprogrammes UNEP, das die TEEB-Studie in Auftrag gegeben hat.

Rio Tinto setzt auf Biodiversität

Der Bericht führt als Beispiel den internationalen Bergbaukonzern Rio Tinto auf als ein Unternehmen, das sich selbst zum Ziel gesetzt hat, einen „Positiven Netto-Einfluss“ auf die Biodiversität zu erreichen. Zusammen mit führenden Naturschutzexperten geht das Unternehmen neue Wege bei der Bewertung der Biodiversität der Firmengelände und hat begonnen, biologische Kompensationen oder „Offset-Methoden“ in Madagaskar, Australien und Nordamerika zu schaffen. Zu anderen Unternehmen mit vergleichbaren Zielen zählen Walmart (Initiative „Äcker für Amerika“), Coca Cola (wasserneutral bis 2020) und BC Hydro (kein Netto-Zuwachs des ökologischen Einflusses).

Zusätzlich zur Minimierung und Vermeidung negativer Auswirkungen kann die Wirtschaft auch Einkünfte aus Naturschutz und Ökosystemdienstleistungen schaffen. Landwirtschaft, Forst und Fischfang sind auf gesunde Ökosysteme angewiesen. Der Tourismus spielt eine wesentliche Rolle beim Schutz der biologischen Vielfalt. Vor diesem Hintergrund hat die Chumbe Island Coral Park Ltd. in Tansania über 1,2 Millionen US-Dollar in den Aufbau eines Meeresparks investiert, um die Korallen rund um Chumbe Island zu schützen. Das Unternehmen unterstützt damit sowohl aktiv das Parkmanagement als auch die Freizeitanlagen.

Neue Bilanzierungs- und Berichtsmethoden für die Wirtschaft

Der TEEB for Business-Report ruft die Verbände auf, neue Bilanzierungs- und Berichtsmethoden für die Wirtschaft zu entwickeln. Die Möglichkeiten zur Messung und Bewertung von Biodiversität und Ökoystemdienstleistungen haben sich weiterentwickelt. Daher empfiehlt der Report, dass Statistiker und Accounting-Experten verstärkte Anstrengungen unternehmen sollten, um gemeinsame Standards und Maßstäbe für die Beurteilung der Auswirkungen von Firmen auf die biologische Vielfalt zu entwickeln und diese in die Geschäftsberichte der Firmen einfließen zu lassen.

„Eine bessere Bilanzierung der positiven und negativen Auswirkungen der Wirtschaft auf die Biodiversität ist entscheidend, um Veränderungen bei Investitionen und im laufenden Geschäftsbetrieb anzuregen“, unterstreicht Joshua Bishop, Koordinator des TEEB for Business-Berichts und Chefökonom der IUCN. „Clevere Unternehmensführer verstehen, dass die Integration der Ökosystemdienstleistungen in ihre Wertschöpfungskette deutliche Kostenersparnisse und neue Erträge schaffen kann wie zum Beispiel durch ein verbessertes Image oder günstigere Lizenzen.“

In einem anderen kürzlich veröffentlichen Bericht des Weltwirtschaftsrates für Nachhaltige Entwicklung haben die Wirtschaftsführer ihre Vision einer nachhaltigen Zukunft zum Ausdruck gebracht – einschließlich von „Preisen, die alle externen Effekte samt Kosten und Nutzen widerspiegeln“ (WBCSD Vision 2050). Schritte in diese Richtung sind bereits unternommen worden. Das beweist das Wachsen der Märkte für Biodiversität und Ökodienstleistungen.

Marktdaten von „Forest Trends“ und „Ecosystem Marketplace” zeigen:

  • Der Markt für Bio- und Ökolandbau wurde 2008 mit 40 Milliarden US-Dollar beziffert und könnte bis 2020 auf bis zu 210 Milliarden US-Dollar anwachsen.
  • Innovative Ausgleichsmaßnahmen wie das „Wetland Mitigation Banking“ in den USA oder “Bio-Banking” in Australien werden Prognosen zufolge von drei Milliarden in 2008 auf zehn Milliarden US-Dollar in 2020 anwachsen.
  • Kohlenstoff- und Waldausgleichsmaßnahmen einschließlich REDD werden Prognosen zufolge von 21 Millionen in 2006 auf zehn Milliarden US-Dollar in 2020 anwachsen.

Bereits heute kann die Wirtschaft ihre Führungsrolle bei Ökosystemdienstleistungen zeigen durch:

  • Analyse der eigenen Auswirkungen und Abhängigkeiten von Ökosystemen
  • Bewerten der Geschäftsrisiken und –chancen die damit zusammenhängen
  • Entwickeln von Informationssystemen, Zielen und Berichterstattung für Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen (kurz BES – Biodiversity and Ecosystem Services)
  • Maßnahmen zur Vermeidung, Minimierung und Ausgleichen von BES-Risiken
  • Ergreifen der wachsenden BES-Geschäftschancen
  • Integration von BES-Maßnahmen und Maßnahmen zur sozialen Verantwortung des Unternehmens
  • Engagement mit anderen Geschäftsleuten und Entscheidungsträgern für eine Verbesserung der Richtlinien und Unternehmenspolitiken

(idw – Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, 13.07.2010 – DLO)

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