Ökologie

Landpflanzen „verschlingen“ 123 Milliarden Tonnen Kohlenstoff

Ökosysteme nutzen jährlich 15 Prozent des gesamten Kohlendioxids in der Atmosphäre

Kronendach des Ankasa-Regenwaldes in Ghana, Afrika, aufgenommen von einer “Fluxtower”-Messstation. © Carboafrica

Ökosysteme der Landoberfläche nehmen jedes Jahr etwa 123 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in Form von Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf. Dies hat ein internationales Forscherteam jetzt erstmals anhand von weltweiten Messungen und datenbasierten Modellrechnungen herausgefunden.

Die Wissenschaftler um Christian Beer vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena ermittelten aber nicht nur die Größe dieses umfangreichsten Austauschprozesses von Kohlenstoff zwischen Atmosphäre und Landoberfläche, sondern bestimmten auch die Einflüsse des Klimas darauf. Sie verglichen ihr Ergebnis darüber hinaus mit den Berechnungen verschiedener räumlich aufgelöster Vegetationsmodelle, darunter das führende Modell LPJmL des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Tropische Ökosysteme wie Regenwälder und Savannen setzen fast zwei Drittel des CO2 um, berichten die Forscher nun in „Science Express“.

Globale Erwärmung verändert Niederschlagsmuster

„Die Ergebnisse bestätigen den großen Einfluss, den Niederschlag auf den globalen Kohlenstoffkreislauf hat: Er bestimmt auf zwei Fünfteln des gesamten bewachsenen Landes, wie viel CO2 die Vegetation aufnimmt“, sagt Alberte Bondeau vom PIK, die Computersimulationen der globalen Vegetation zur Studie beigetragen hat. Die globale Erwärmung werde die zeitlichen und räumlichen Muster des Niederschlags merklich verändern. „Und das könnte sich wiederum sehr stark auf die Produktivität der Land-Ökosysteme auswirken“, sagt Bondeau.

Um zu bestimmen, wie viel CO2 verschiedene Ökosysteme aus der Atmosphäre aufnehmen, nutzten die Forscher Informationen aus einem globalen Netzwerk von mehr als 250 Messstationen, die fortlaufend Daten liefern. Mit den Daten wurden Computermodelle gefüttert, um die so genannte Bruttoprimärproduktion zu berechnen, die weltweit von der Vegetation der Landoberfläche aufgenommene CO2-Menge.

450 Milliarden Tonnen CO2 jährlich

Dieser Wert von jährlich etwa 450 Milliarden Tonnen bezeichnet die gesamte Menge des Gases CO2, das durch Photosynthese auf Land zu Biomasse umgesetzt wird. Er hängt nach Angaben der Wissenschaftler stark von den Umweltbedingungen ab, vor allem den klimatischen Bedingungen und den Eigenschaften der Vegetation. Das CO2, das der Atmosphäre auf diese Weise entzogen wird, kehrt unterschiedlich schnell wieder dorthin zurück.

Einen großen Teil setzen die Pflanzen schnell durch ihren Stoffwechsel wieder frei. Ein weiterer Teil des gebundenen CO2 fließt langsamer zurück, wenn Laub oder Holz im Boden zersetzt werden oder in Feuern verbrennen. Diese Verzögerungen im Rückfluss von Kohlenstoff in die Atmosphäre sind wichtig für die Geschwindigkeit, mit welcher der Klimawandel aufgrund menschlicher Emissionen des Treibhausgases voranschreitet.

Tropische Vegetation mit großem Beitrag zum Gesamtumsatz

Obwohl die globale CO2-Aufnahme durch die Landvegetation prägend für den Kohlenstoffkreislauf der Erde ist, konnte ihr Wert, so die Wissenschaftler, erst in der nun veröffentlichten Studie zuverlässig eingegrenzt werden. Die Ergebnisse bestätigen zudem den großen Beitrag der tropischen Vegetation zum Gesamtumsatz und sie belegen den engen Zusammenhang von CO2-Aufnahme und Niederschlag in weiten Teilen der Erde.

Das Forscherteam hat das Ergebnis der beobachtungsbasierten Berechnung zudem mit Projektionen von Computermodellen der globalen Ökosysteme verglichen. Mit diesen Modellen wird auch die künftige Bilanz des Kohlenstoffaustauschs zwischen Land und Atmosphäre bei fortschreitendem Klimawandel berechnet. In der Studie wurden zwei am PIK entwickelte Versionen eines solchen Modells verwendet: eine für die globale potenzielle natürliche Vegetation (LPJ) und eine, die die weltweite landwirtschaftliche Landnutzung mit berücksichtigt.

Einfluss des Niederschlags überschätzt

Der Vergleich zeigt nach Angaben der Forscher, dass die derzeit verfügbaren Modelle in der Lage sind, Unterschiede in der Kohlenstoffaufnahme in verschiedenen geographischen Breiten darzustellen. Sie weichen jedoch bezüglich der Größe und bei regionalen Details noch deutlich voneinander ab. Zudem wird der Einfluss des Niederschlags auf die CO2-Aufnahme generell überschätzt. Wahrscheinlich mindern bislang nicht berücksichtigte Mechanismen wie etwa biologische Anpassung den Einfluss des Klimas auf die Vegetation.

Das PIK-Modell LPJmL, das Auswirkungen der Landwirtschaft, speziell auch der Bewässerung, mitberücksichtigt, zeigt jedoch zutreffend einen reduzierten Einfluss des Niederschlags auf die Kohlenstoffaufnahme, obwohl er ein wichtiger Klimaeinfluss bleibt. Die genauen Details der beteiligten Faktoren sind ein Thema für künftige Forschungen, so die Wissenschaftler.

Einer der wichtigsten Prozesse im Erdsystem

„Die Ergebnisse der Studie sind enorm bedeutsam“, sagt Wolfgang Lucht, Co-Chair des PIK-Forschungsbereichs Klimawirkung und Vulnerabilität. „Sie ist ein großer Schritt in unserem Verständnis der klimaregulierenden Wirkung der Landoberfläche durch CO2-Austausch und bezüglich der weltweiten Biomasseproduktion.“

Die Fähigkeit, diese Prozesse zu modellieren, habe nun eine solidere Grundlage erhalten. Die veröffentlichten Zahlen zeigten, dass alle sieben Jahre die gesamte Menge des CO2 in der Atmosphäre einmal durch die Blätter der globalen Vegetation fließe. „Dies ist einer der wichtigsten Prozesse im Erdsystem – und nun können wir ihn zuverlässig quantifizieren“, sagt Lucht.

(idw – Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, 06.07.2010 – DLO)

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