Etwa 30 Prozent aller Hirntumore bei Erwachsenen sind so genannte Gliome. Sie können langsam wachsend bis schnell wachsend bösartig auftreten, aber für alle diese Gliome gilt: Je vollständiger der Tumor entfernt werden kann, desto höher sind die Überlebenschancen der Erkrankten. Forscher haben jetzt eine neue Fluoreszenzsonde entwickelt, die sich bei vielen Formen von Gliomen anwenden lässt.
Der Marker macht einzelne Krebszellen im Mikroskop sichtbar und könnte Chirurgen zukünftig während Operationen das Auffinden von Tumorgrenzen erleichtern.
Bildgebende Verfahren reichen nicht aus
Bei der Diagnose eines Glioms der aggressiven Tumorgrade III und IV ist die Prognose für Betroffene äußerst schlecht. Die Erkrankten überleben nach Diagnose oft nur noch wenige Monate. Aggressive Gliome können völlig neu entstehen, entwickeln sich aber auch aus weniger bösartigen Stadien. Solche Tumore nachzuweisen, ist allerdings äußerst schwierig.
Mit bildgebenden Verfahren wie der Computertomografie und der Magnetresonanztomografie (MRT) lassen sich zwar viele Krebsgeschwüre hoher Tumorgrade deutlich erkennen, nicht aber die genaue Ausdehnung und Wachstumsform der weniger bösartigen Formen.
Fluoreszierende Halbleiter-Nanopartikel im Einsatz
Forschern am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie ist es jetzt gelungen, einen Fluoreszenzmarker zu entwickeln, der sich zum Nachweis der Mehrheit der Gliome gleichermaßen gut eignet. „Wir machen uns dabei zunutze, dass in vielen Gliomen so genannte Epidermale Wachstumsfaktor (EGF)-Rezeptoren vermehrt auftreten“, erklärt die Zellbiologin Donna Arndt-Jovin.
Um die Krebszellen sichtbar zu machen, koppelte das Wissenschaftlerteam um Arndt-Jovin hell fluoreszierende Halbleiter-Nanopartikel – so genannte Quantum Dots – an Antikörper gegen den EGF-Rezeptor oder den Wachstumsfaktor selbst. Die Technik erlaubt höchste räumliche Auflösung: Dank des 1.000-fach stärkeren Fluoreszenzsignals im Vergleich zu normalen Zellen werden damit einzelne Krebszellen im Gewebe sichtbar. Anders als viele Fluoreszenzmarker sind Quantum Dots äußerst photostabil und bleichen dabei nicht aus, so die Forscher.
Fluoreszenzmarker funktioniert an lebendem Biopsie-Material
Dass der Fluoreszenzmarker an lebendem Biopsie-Material funktioniert, konnten die Max-Planck-Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit den Medizinern Sven Kantelhardt und Alf Giese von der Universitätsmedizin Göttingen zeigen. Färbten die Forscher lebendes Tumorgewebe mit der neuen Fluoreszenzsonde, ließen sich unter dem Mikroskop Krebszellen niedriger wie hoher Tumorgrade als hell leuchtende Punkte deutlich erkennen. Normale Gehirnzellen nehmen die Quantum Dots dagegen kaum auf und bleiben dunkel.
Gerade die Darstellung von Tumorzellen niedriger Tumorgrade war bislang mit anderen Verfahren, die Aussicht auf einen Einsatz im Operationssaal haben, kaum möglich.
Resttumorzellen aufspüren
Neurochirurgen sehen für den Fluoreszenzmarker einen möglichen praktischen Einsatz während der Operation hochgradig bösartiger Tumoren. „Nach konventionellem Entfernen des Tumors könnte das Gewebe in der Umgebung mithilfe der Fluoreszenzsonde direkt nach Resttumorzellen abgesucht und Areale hoher Tumorzelldichte dann entfernt werden“, sagt der Neurochirurg Giese.
Da sich im Gehirn verbleibende Krebszellen zu neuen, häufig noch bösartigeren Geschwüren entwickeln, ließen sich die Überlebenschancen der Erkrankten durch eine vollständigere Entfernung beträchtlich steigern. Ein neuartiges Hochgeschwindigkeits-Fluoreszenzmikroskop (Programmable Array Microscope, PAM), das vom Forscherteam um Jovin und Arndt-Jovin am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie derzeit zur Produktionsreife gebracht wird, könnte dabei wertvolle Dienste leisten.
Es ermöglicht nach Angaben der Wissenschaftler, mit Quantum Dots markierte Moleküle an lebenden Zellen mit einer hohen räumlichen, zeitlichen und spektralen Auflösung zu untersuchen. Ein weiteres wichtiges Ziel der Göttinger Forscher ist es aber auch, Nanopartikel als Werkzeug für die Krebstherapie nutzbar zu machen: als Wirkstoff-Transporter, die gezielt Wirkstoffe in die Tumorzelle einschleusen, die diese zerstören.
(idw – Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, 05.07.2010 – DLO)