Klima

Verdrängte Winde beendeten Eiszeit

Kettenreaktion veränderte globale Windmuster und CO2-Freisetzung der Meere

eisbedecktes Meer © NOAA

Das Ende der letzen Eiszeit kam relativ abrupt, seine Ursachen waren aber bisher nur teilweise geklärt. Jetzt haben Klimaforscher erstmals Hinweise auf eine Kettenreaktion entdeckt, die in ihrem Verlauf die Lage weltumspannender Windgürtel stark veränderte. Wie die Forscher in „Science“ berichten, brachte dies nicht nur die Gletscher der Südhalbkugel zum Schmelzen, es führte auch zu einer Freisetzung von CO2 aus dem Südpolarmeer und damit zu einer Neujustierung des globalen Klimathermostats.

Vor rund 20.000 Jahren kam der große Umschwung im Klima der Erde: das Ende der Eiszeit bahnte sich an. Innerhalb eines geologisch gesehen winzigen Augenblicks begannen die Eisdecken der Nordhalbkugel zu schmelzen und zu kollabieren und die Erde wurde nach und nach wieder wärmer. Aber was löste diesen Umschwung aus? Nach Ansicht einiger Wissenschaftler sorgte eine kleine Veränderung der Erdachse damals dafür, dass die Nordhalbkugel wieder mehr Sonnenlicht erhielt. Offen war dabei jedoch, wie es die Südhalbkugel so schnell schaffte, sich dabei ebenfalls zu erwärmen.

Klimatische Kettenreaktion enträtselt

Ein internationales Forscherteam hat jetzt genau diesen Aspekt näher untersucht. „Das ist die größte globale Erwärmung aller Zeiten“, erklärt George Denton, Glaziologe der Universität von Maine und Leiter der aktuellen Studie. „Wir versuchen die Frage zu beantworten, warum sich die Erde plötzlich erwärmte, obwohl sie doch fest im Griff der Eiszeit war.“ Gestützt auf Klimadaten aus Tropfsteinhöhlen, Eisbohrkernen und Tiefseesedimenten, postulieren die Wissenschaftler eine ganze Kette von Ereignissen, in der Windmuster eine entscheidende Rolle spielten.

„Diese Studie fasst verschiedene jüngste Studien zusammen, um zu erklären, wie die im Norden ausgelöste Erwärmung sich nach Süden ausbreitete und schließlich die Eiszeit beendete“, erklärt Bob Anderson, Geochemiker am Lamont-Doherty Earth Observatory der Columbia Universität. „Endlich haben wir ein klares Bild der Fernverbindungen im irdischen Klimasystem, die über viele zeitliche Perioden hinweg wirken. Die gleichen Verbindungen, die die Erde aus der letzten Eiszeit brachten sind auch heute noch aktiv und werden fast mit Sicherheit auch eine Rolle im zukünftigen Klimawandel spielen.“

Erdachsen-Verschiebung bringt mehr Sonnenlicht nach Norden

Die Wissenschaftler rekonstruierten die Ereignisse so: Bekannt ist, dass die Erde seit rund 2,7 Millionen Jahren alle rund 100.000 Jahre eine Kaltzeit erlebt. In diesen so genannten Milankovitsch-Zyklen verändert die Erde ihre Orientierung gegenüber der Sonne leicht und beeinflusst dadurch auch die einfallende Strahlungsmenge.

Auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit vor rund 20.000 Jahren lagen große Teile Europas, Nordamerikas und Asien unter einer dicken Eisdecke begraben. Doch dann veränderte sich die Erdachse erneut. Mehr Sonnenlicht fiel auf die Nordhalbkugel und begann, die Gletscher allmählich abzuschmelzen. Die Gletscherschmelze schickte gewaltige Eisberge und große Mengen Süßwasser in den Nordatlantik, kühlte diesen stark ab und senkte seinen Salzgehalt.

Ausgefallene Meerespumpe verschiebt Windgürtel

Dies wiederum brachte die nordatlantische Umwälzpumpe zum Erliegen. Normalerweise befördert sie, angetrieben durch Unterschiede im Salzgehalt und Temperatur, warmes Wasser aus dem Süden in größere Meerestiefen und lässt sie von dort als kaltes Tiefenwasser wieder nach Süden zurück strömen. Fällt diese Umwälzpumpe aus, stoppt auch der Golfstrom, der sonst warmes Wasser auch an Europas Küsten bringt. Als Folge fror der Nordatlantik teilweise zu, Europa erlebte erneut eine Kälteperiode.

Entscheidender allerdings war der Einfluss dieser Strömungsveränderungen auf die Luftmassen in der Atmosphäre: Denn jetzt änderten sich auch ihre Strömungsmuster. Der Gürtel der Passatwinde wurde durch die Kälte im Norden weiter nach Süden abgedrängt. Dort verdrängte er seinerseits den Westwindgürtel der Südhalbkugel, der nun warme Luft auch in die gemäßigten Breiten der Südhalbkugel transportierte. Als Folge begannen vor 18.000 Jahren die Gletscher Südamerikas und Neuseelands zu schmelzen.

Winddurchmischter Ozean setzt CO2 frei

Die verdrängten Westwinde verursachten aber auch eine starke Durchmischung des Südozeans rund um die Antarktis. Dadurch wurde weitaus mehr gelöstes Kohlendioxid an die Atmosphäre abgegeben als zuvor. Eisbohrkerne zeigen für die Periode vor 18.000 bis vor 11.00 Jahren einen Anstieg der CO2-Werte von 185 parts per million (ppm) auf 265 ppm. Dadurch justierte sich allmählich das gesamte „Thermostat“ des Planeten neu und stellte sich auf ein höheres Niveau ein.

Neue Kaltzeit verhindert?

Der windbedingte Zustrom von Treibhausgas erfolgte zu einem Zeitpunkt, als die Erdachse erneut gewandert war und die Sonneneinstrahlung auf der Nordhalbkugel wieder zu sinken begann. Nach Ansicht der Forscher könnte der Anstieg der CO2-Werte den Planeten damit vor elf Millionen Jahren sogar vor einer erneuten Kaltzeit bewahrt haben. Erstmals ist mit diesem durch Daten gestützten Modell der Ereignisse die Frage geklärt, wie und warum sich die Südhalbkugel damals aufheizte. Sie erklärt zudem auch, warum die CO2-Werte in dieser Zeit so plötzlich anstiegen.

Erklärung für Schwankungen des CO2 im Eiszeitalter

„Diese Frage hat viele lange Zeit beschäftigt. Die Unfähigkeit der Klimaforscher, eine komplette Erklärung für die Schwankungen des CO2 während der Eiszeitzyklen zu liefern hat einige sogar die Klimaforschung insgesamt hinterfragen lassen“, erklärt Richard Alley, Glaziologe der Penn State Universität in einem Kommentar zur Studie seiner Kollegen. „Jetzt wird es umso spannender sein, dieses Erklärungsmodell zu testen, um zu sehen, wie gut es die beobachteten Veränderungen im Süden ‚prognostiziert‘.“

(The Earth Institute Columbia University, 29.06.2010 – NPO)

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