Evolution

Vormenschenfund: „Lucys Großvater“ ging schon aufrecht

3,6 Millionen Jahre alter Australopithecus belegt Zweibeinigkeit

Skelett des "Kadanuumuu" getauften Australopithecus afarensis KSD-VP-1/1 © Y. Haile-Selassie, L. Russell / Cleveland Museum of Natural History, PNAS

In der äthiopischen Afar-Region haben Forscher das Skelett eines 3,6 Millionen Jahre alten männlichen Australopithecus afarensis entdeckt. Damit ist dieser Vormenschenfund 400.000 Jahre älter als die berühmte „Lucy“ – ging aber trotzdem auch schon perfekt aufrecht. Wie Wissenschaftler jetzt in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) berichten, beseitigt das Fossil nun letzte Zweifel an der Zweibeinigkeit der Australopithecinen.

Australopithecus afarenis ist der vermutlich bekannteste Vorfahre des Menschen. Die zierlichen, aufrecht gehenden Hominiden lebten vor mehr als drei Millionen Jahren in der Gegend von Afar im heutigen Äthiopien. Berühmt wurde das 1974 dort entdeckte Fossil „Lucy“, ein gut erhaltenes Skelett eines 3,2 Millionen Jahre alten weiblichen Australopithecus afarenis. Jetzt haben Wissenschaftler eines äthiopisch-amerikanischen Forscherteams erneut einen Vertreter dieser Spezies entdeckt – aber mehr als 400.000 Jahre älter als „Lucy“.

„Kadanuumuu“ ist 3,6 Millionen Jahre alt

Bereits 2005 hatten Anthropologen um Yohannes Haile-Selassie, Kurator am Cleveland Museum of Natural History, im Boden der Woranso-Mille-Region im Afar-Dreieck einen Unterarmknochen eines entdeckt. Im Laufe von fünf Jahren gruben die Forscher weitere Skelettteile aus, darunter der Brustkorb und das bisher besterhaltendste menschliche Schlüsselbein und Schulterblatt. Die Datierung ergab, dass es sich bei dem Skelett um „Lucys Großvater“ handelte: einen 3,6 Millionen Jahre alten Australopithecus afarensis. Der männliche Australopithecus ist mit 1,50 bis 1,60 Meter Höhe deutlich größer als die nur knapp einen Meter große „Lucy“. Die Forscher tauften ihn daher „Kadanuumuu“ – großer Mann in der Afar-Sprache.

Teil der hier noch unausgegrabenen Hüfte von "Kadanuumuu" © Yohannes Haile-Selassie /Cleveland Museum of Natural History

Aufrechter Gang schon vor „Lucy“

Die Form seiner Hüft- und Beinknochen zeigt, dass unsere Vorfahren auch schon 400.000 Jahre vor Lucy aufrecht gegangen sein müssen – deutlich früher als bisher angenommen. „Dieses Individuum war bereits komplett bipedal und hatte die Fähigkeit, wie ein moderner Mensch aufrecht zu laufen”, erklärt Haile-Selassie. „Als Ergebnis dieser Entdeckung können wir nun sicher sagen, dass Lucy und ihre Verwandten fast so geschickt beim Laufen auf zwei Beinen waren wie wir es sind.“ Bisher war strittig gewesen, wie viel und wie gut Lucy tatsächlich aufrecht ging.

„Unsere gesamtes Wissen über die Lokomotion des Australopithecus afarenis war bisher abhängig von ‚Lucy‘. Weil sie aber eine extrem kleine Frau mit absurd kurzen Beinen war, erhielten einige Wissenschaftler den Eindruck, dass sie noch nicht vollständig an den aufrechten Gang angepasst war“, so Haile-Selassie. „Dieses neue Skelett wiederlegt diesen Eindruck. Die Verlängerung unserer Beine kam früher in unserer Evolution als bisher angenommen.”

Körperform deutlicher zu erkennen

Der Vergleich von „Kadanuumuu“ mit seiner Verwandten „Lucy“ enthüllt Gemeinsamkeiten aber auch deutliche Unterschiede. „Bei beiden haben wir die Hüften, eine komplette untere Extremität und Elemente der oberen, eine Wirbelsäule und den Thorax“, erklärt C. Owen Lovejoy, Professor für Anthropologie an der Kent State Universität. „Aber das neue Exemplar hat einen vollständigeren Brustkorb und ein fast komplettes Schlüsselbein, was uns sehr viel mehr über die Körperform von Australopithecus afarensis verrät, als es durch ‚Lucy‘ allein möglich war.“

Fortsetzung der Entwicklungslinie von „Ardi“

Die Skelettteile, besonders im Schulter- und Rippenbereich, bestätigen auch anatomische Entwicklungen, die sich bereits bei der noch älteren Vormenschenform „Ardi“ andeuteten. Das Skelett eines Ardipithecus ramidus war 2009 vom gleichen Forscherteam ebenfalls in Äthiopien entdeckt worden. Der 4,4 Millionen Jahre alte Hominide gilt als eine der ältesten bekannten Homininen und als möglicher Vorfahr der Australopithecinen. Obwohl sich „Ardi“ vermutlich noch vorwiegend in den Bäumen aufhielt, zeigte ihre Beckenform bereits, dass sie aufrecht stehen und gehen konnte.

(Cleveland Museum of Natural History, 23.06.2010 – NPO)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Skelett eines ungeborenee Kindes

So entstehen die Knochen des ungeborenen Kindes

Astronomen entdecken jüngsten Transit-Planet

Mehr Blackouts durch Wind- und Sonnenstrom?

Parkinson: Wenn mehr Dopamin mehr Zittern bedeutet

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Neandertaler - Neue Erkenntnisse über unsere Steinzeit-Cousins

Bücher zum Thema

Die Welt des Neandertalers - Von den Ursprüngen des Menschen von Juan L. Arsuaga

Die Ursprünge der Menschheit - von Fiorenzo Facchini

Unbekanntes Afrika - Archäologische Entdeckungen auf dem Schwarzen Kontinent

Das Rätsel der Menschwerdung - von Josef H. Reichholf

Adams Eltern - Expeditionen in die Welt der Frühmenschen von Friedemann Schrenk & Timothy G. Bromage

Top-Clicks der Woche