Es ging letzte Woche durch nahezu alle Medien: Amerikanische Geologen hätten neue, riesige Rohstoffvorkommen in Afghanistan entdeckt. Doch ein deutscher Geologe stellt jetzt klar, dass es entgegen vieler Meldungen keine Neuuntersuchungen vor Ort gegeben hat. Stattdessen sei der Rohstoffreichtum der Region schon seit langem bekannt, die Ausbeutung der Lagerstätten aber wirtschaftlich und politisch – noch – nicht lohnend.
Seit über 20 Jahren forscht Lothar Ratschbacher, Professor für Regionale und Strukturgeologie am Institut für Geologie der TU Bergakademie Freiberg in Zentralasien. Er stellt nun klar, was die Meldung über angebelich neuentdeckte Vorkommen wert ist und was dahinter steckt. Ratschbacher musste über diese Meldung schmunzeln, „weil hier Journalisten, Militärs und Politiker wissenschaftliche Berichte in Schlagzeilen umsetzen. Denn erstens gibt es keine Neuuntersuchungen durch amerikanische Geologen und zweitens wurden gar keine systematischen Untersuchungen vor Ort durchgeführt.“
Der wissenschaftliche Hintergrund war eine Neubewertung geologischen Materials, vor allem von Karten aus der Zeit der Sowjetunion, die Afghanistan vor allem in den 1970er Jahren systematisch geologisch erforscht hatte. „Übrigens aufbauend auf deutschen Arbeiten, die vor allem in den 1960er Jahren, in einer friedlicheren Epoche in Afghanistan, durchgeführt wurden.“ Die jetzt verbreiteten Untersuchungen stammen vom geologischen Dienst der USA. Dazu kamen noch neuere fernerkundliche Untersuchungen, die jedoch für eine Bewertung einer Lagerstätte nicht aussagekräftig sind.
Rohstoffreichtum lange bekannt
„Dass diese Region reich an Rohstoffen ist, ist seit langem bekannt“, so Ratschbacher. Denn die geologischen Einheiten Afghanistans seien auch in den Ländern Tadschikistan, im Nordteil Pakistans und im Westen Chinas anzutreffen. Diese Gebiete kenne man bereits viel besser als Afghanistan.
„Meine Forschungsgruppe arbeitet seit 1993 im angrenzenden Pamirgebirge, das zu Tadschikistan, Kirgistan und China gehört“, berichtet er.
Zurzeit läuft ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertes Projekt, in dem Wissenschaftler der Universitäten Freiberg, Jena und des GeoForschungsZentrums Potsdam geologisch-geophysikalisch- geomorphologische Untersuchungen zur Entstehung des Pamir-Tibet Plateaus durchführen. In diesen Wochen ist aber auch eine zweite Freiberger Gruppe im afghanisch-tadschikischen Becken unterwegs. Diese Forschung wird von der französischen Ölfirma TOTAL finanziert und zielt auf eine Analyse möglicher Erdgasvorkommen.
Wirtschaftliche Verwertbarkeit entscheidend
Obwohl die Bereiche Tadschikistans, Pakistans und Chinas ähnliche geologische Einheiten wie Afghanistan aufweisen, wird dort Zurzeit kein aktiver Bergbau betrieben. Aktive Gold- und Kupferminen finden sich nur weiter nördlich im Tien Shan. „Reiche Lagerstätten sind nur ein Aspekt. Die wirtschaftliche Verwertbarkeit und die politische Situation sind ein andere“, gibt der Forscher zu bedenken. „So gibt es am Tibetplateau auch bedeutende Salzseen die Lithium enthalten. Nur liegen diese Seen auf 5.000 Meter Höhe. Dort waren bisher viel weniger Menschen als in der Antarktis.“
Auch China zögert
Der Grund dafür sind die unglaublich aufwändigen Arbeiten, diese Lagerstätten zu erforschen, zu erschließen und wirtschaftlich zu betreiben. Selbst wenn es genügend Nachfrage gerade aus dem Boomland China gäbe. Ratschbacher führt noch ein weiteres Beispiel an: Reiche, bereits genau untersuchte Kupfer- und Goldlagerstätten befinden sich beispielsweise in Südtibet, in geologischen Einheiten, wie sie in Afghanistan vorliegen.
Aber auch diese werden zurzeit nicht weiter aufgeschlossen, obwohl die neue Lhasa-Golmud Bahnlinie diesen Raum mit Westchina verbindet. Dazu müssten erst der Weltmarkpreis beträchtlich steigen und sich die chinesische Politik ändern. Denn China behält sich bewusst strategische Reserven vor. Und für Afghanistan gilt, dort zuerst einmal die Infrastruktur aufzubauen, um nach einer langen Phase der Neuerkundung und Erschließung zu einer wirtschaftlichen sinnvollen Verwertung zu kommen.
Auf Lauerposition
Bei allen diesen Fragen komme noch die politische Situation hinzu. Auch der Erdölkonzernt TOTAL wisse genau, dass es auch mittelfristig keinen Sinn macht, Erdgas aus dem afghanisch-tadschikischen Becken zu fördern, da es problematisch ist, die Vorräte zu vermarkten. Die Firma finanziert deshalb nur eine Ausweitung der Grundlagenforschung, um an Daten zu kommen. Damit man im Fall von politisch-ökonomischen Änderungen reagieren kann.
Ratschbacher und seine Gruppe brechen im Sommer 2010 erneut in diese Region auf, um genau nordwestlich der an Gold-, Eisen- und Kupfer reichen afghanischen Provinzen Badachshan und Wachan in der tadschikischen Provinz Gorny-Badakshan zu arbeiten. „Wir wollen zum Beispiel Prozesse verstehen, die zur Lagerstättenbildung führen.“ Für 2011 ist eine Expedition in die afghanische Provinz Wachan geplant.
(Technische Universität Bergakademie Freiberg, 21.06.2010 – NPO)