In Moos haben Wissenschaftler eine chemische Verbindung entdeckt, die Schnecken abschreckt und sich als biologische Alternative zum giftigen „Schneckenkorn“ eignen würde. Die jetzt erstmals identifzierte Substanz erwies ihre Wirksamkeit auch dann noch, wenn sie in hoher Verdünnung auf Salat, eine „Leibspeise“ von Schnecken, aufgetragen wurde.
Schnecken sind die Feinde eines jeden Gärtners: Was er in mühevoller Arbeit gesät und gepflegt hat, können sie über Nacht zunichte machen. Allerdings scheinen den Schnecken nicht alle Pflanzen gleichermaßen zu schmecken: Denn Moose meiden sie. Warum ist das so? Dieser Frage ging bereits Ende des 19. Jahrhunderts der Botaniker und Begründer der Chemischen Ökologie Ernst Stahl in Jena nach. Mehr als ein Jahrhundert später haben Chemiker der Friedrich-Schiller- Universität Jena nun
eine mögliche Antwort darauf gefunden.
„Moose sind in der Lage, chemische Verbindungen aufzubauen, die sie vor Fressfeinden schützen“, nennt Professor Georg Pohnert von der Uni Jena eine Erkenntnis, die bereits Ernst Stahl aus seinen Versuchen gewonnen hatte. Dem Inhaber des Lehrstuhls für Instrumentelle Analytik und seinem Team ist es nun aber erstmals gelungen, diese Verbindungen zu identifizieren und ihre fraßhemmende Wirkung eindeutig zu belegen. Ihre Forschungsergebnisse haben die Chemiker um Pohnert in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ veröffentlicht
Oxylipine bei Verwundung freigesetzt
Was den Schnecken den Appetit auf Moose verdirbt, sind sogenannte Oxylipine. „Dabei handelt es sich um Verbindungen, die aus der oxidativen Umsetzung von ungesättigten Fettsäuren hervorgehen, wenn das Moos verwundet wird“, erläutert Pohnert. Die Jenaer Chemiker haben das Moos Dicranum scoparium untersucht, das auch als Gewöhnliches Gabelzahnmoos oder Besenmoos bezeichnet
wird und in beinahe allen europäischen Wäldern vorkommt. Dabei fanden sie zahlreiche bis dato unbekannte Verbindungen, darunter neue, sehr ungewöhnliche Oxylipine.
„Motiviert durch die Beobachtung, dass in anderen Organismen Oxylipine oft direkt als Verteidigungsmetaboliten fungieren oder an der Regulation von Verteidigungsreaktionen beteiligt sind, haben wir die Wirkung dieser Verbindungen in der Moospflanze genauer untersucht“, so Pohnert, der sich mit seiner Forschungsgruppe bislang auf die chemischen Verteidigungsstrategien von marinen Organismen konzentriert hat.
Schnekcen verschmähen behandelten Salat
Um die mögliche fraßhemmende Wirkung der Oxylipine nachzuweisen, holten sich die Jenaer Forscher ausgewiesene „Experten“ mit ins Boot: Sie „engagierten“ Spanische Wegschnecken, denen sie zwei Salatblätter zum Fraß anboten. Das eine war mit Oxylipinen, die aus dem Moos extrahiert worden waren, behandelt – das andere Salatblatt war nur mit dem Lösungsmittel Methanol besprüht. „Die Wahl der Schnecken fiel fast ausschließlich auf die Blätter, die keine Oxylipine enthielten, selbst wenn wir die Substanzen in Vergleich zu den Konzentrationen im Moos 1.000fach verdünnen“, berichtet Martin Rempt, Doktorand in Pohnerts Team.
Alternative zum „Schneckenkorn“
Diese Erkenntnisse ließen sich nach Ansicht der Forscher künftig nutzen, um einen natürlichen Fraßschutz gegen Schnecken und andere Schädlinge zu entwickeln. Damit wäre eine ökologische Alternative zum sogenannten „Schneckenkorn“ gefunden, das oftmals eine Gefahr für Vögel und andere Fraßfeinde der Schnecken, aber auch für die eigenen Haustiere darstellt. Die Untersuchungen sollen zukünftig auch auf weitere Moosarten ausgeweitet werden.
(Universität Jena, 11.06.2010 – NPO)