Nanotechnologie

Nanopartikel: Wie groß ist klein?

Wissenschaftler entwickeln genaues und schnelles Messverfahren für Nanoteilchen

Silika-Partikel mit einer Größe von 160 nm in einem Kohlelochfilm. Diese Aufnahme wurde mit einem Rasterelektronenmikroskop gemacht, das PTB-Wissenschaftler mit einem Transmissionsdetektor ausgestattet haben. Der Transmissionsdetektor misst die Elektronen, die durch die Probe hindurchgehen. Die Nanopartikel werden schwarz abgebildet, weil durch sie kaum Elektronen hindurch dringen, der Hintergrund erscheint weiß. © PTB

Die genaue Größe von Nanopartikeln zu bestimmen, war bisher aufwändig und teilweise langwierig. Jetzt haben Forscher ein neues Messverfahren entwickelt, das Größenunterschiede bis zu einem Nanometer präzise ermitteln kann und damit wichtige Rückschlüsse auf Verhalten und Risiken der Teilchen ermöglicht. Das neuartige Verfahren könnte auch zur Zertifizierung von Referenzmaterialien in der Europäischen Union beitragen.

Ob in kosmetischen Produkten wie Sonnencreme, Zahnpasta oder Deodorant, ob in Farben und Lacken oder in der Krebstherapie: Nanopartikel sind weit verbreitet und bieten vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. Gleichzeitig sind die Risiken schwer abzuschätzen, die von diesen kleinen Teilchen während ihrer Herstellung, Verwendung und Entsorgung ausgehen. Denn durch ihre winzigen Ausmaße haben sie völlig andere chemische und physikalische Eigenschaften als größere Partikel oder Festkörper des gleichen Materials. Ihr Verhalten ist in hohem Maß von ihrer Teilchengröße abhängig: Ein Partikel von 18 Nanometern Größe kann ganz andere Eigenschaften haben als ein 35 oder 160 Nanometer großes.

Der Größenunterschied spielt dementsprechend eine wichtige Rolle bei der Abschätzung des Risikos dieser „Zwergpartikel“ für Mensch und Umwelt. Gleichzeitig bieten solch größenabhängige Eigenschaften die Möglichkeit zu vielfältigen technologischen Anwendungen. Ob nun Gesundheit- und Umweltrisiko oder technologischer Nutzen – die Größe der Nanopartikel genau zu kennen, ist in jedem Fall wichtig.

Elektronenmikroskop „aufgerüstet“

Um ihre winzige Größe exakt zu ermitteln, haben Wissenschaftler der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) jetzt ein elektronenmikroskopisches Messverfahren für die Größe von Nanopartikeln entwickelt. Es vereint die Vorteile verschiedener Typen von Elektronenmikroskopen: Wissenschaftler rüsteten ein Rasterelektronenmikroskop (REM) mit einem Transmissionsdetektor auf. Ein Problem bei der hochgenauen Messung von Nanopartikeln ist die präzise Bestimmung des Partikelrandes, der in elektronenmikroskopischen Bildern „verschmiert“ ist. Bei welchem Grauwert beginnt das Partikel und welcher Bild-Pixel ist noch Hintergrund?

Abgleich von Simulation mit Messung

Um diese Frage beantworten zu können, wird simuliert: Ein an der PTB entwickeltes Programm berechnet das Detektorsignal für ein Partikel einer festgelegten Größe, zum Beispiel 150 Nanometer, und berücksichtigt dabei die Wechselwirkungen der Elektronen mit dem Partikel und die Eigenschaften des Detektors. Dann wird verglichen. Stimmt das berechnete Signal mit dem gemessenen überein, kann man aus der Simulation auf die reale Größe des untersuchten Teilchens schließen. Wenn nicht, wird mit einer anderen Teilchengröße weiter gerechnet, beispielsweise 151 Nanometer, solange bis es eine Übereinstimmung beider Signale gibt.

Die PTB-Wissenschaftler untersuchten Vertreter aus den Materialklassen der Metalle, Keramiken und Kunststoffe und konnten zeigen, dass sich das Detektorsignal auch mit den Materialeigenschaften ändert. So wechselwirken die Elektronen beispielsweise mit dem sehr dichten Gold anders als mit Latex, das eine geringere Dichte hat. Die herkömmliche Herangehensweise, für alle Partikel dasselbe Kriterium für die Datenauswertung anzusetzen, egal um welches Material es sich handelt und wie groß sie sind, hat also ihre Schwächen.

Tausend Partikel pro Tag

Um sowohl Größe als auch Material der Partikel berücksichtigen zu können, hat die PTB eine automatische Auswertung entwickelt. Sie berechnet auf der Basis der Simulationsergebnisse für jeden einzelnen Partikel ein individuelles Detektorsignal für den Partikelrand. So wird eine an den jeweiligen Partikel angepasste, präzise Größenbestimmung ermöglicht. Trotz dieser aufwändigen Prozedur können mehrere hundert Aufnahmen in wenigen Minuten automatisch ausgewertet werden. Die PTB-Wissenschaftler haben außerdem eine Methode entwickelt, um viele Nanopartikel-Bilder nacheinander automatisch aufnehmen zu können. Somit sind sie nun in der Lage, durch das Messen und Auswerten bis zu einiger tausend Partikel eine Probe innerhalb eines Tages zu charakterisieren.

Das neue Messverfahren der PTB könnte dazu beitragen, innerhalb der europäischen Union zertifizierte Referenzmaterialien herzustellen. Referenzmaterialien dienen dazu, europaweit alle Messungen mit einem definierten Standard zu vergleichen. Nur auf diese Weise lassen sich Messergebnisse verschiedener Labore vereinheitlichen.

(Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), 07.06.2010 – NPO)

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