Lokal handeln, global wirken – dieses Prinzip gilt auch für viele Klimaphänomene, etwa für den Monsun. Das macht eine Studie von Max-Planck-Forschern jetzt noch einmal besonders deutlich. Sie haben erstmals ermittelt, in welchen Mengen der Monsun-Wind über Indien Treibhausgase wie Methan und Lachgas in höhere Luftschichten transportiert.
Mit dem fliegenden Labor CARIBIC an Bord eines Passagierflugzeugs der Lufthansa maßen die Wissenschaftler zahlreiche Gase in der oberen Troposphäre über dem indischen Subkontinent. Daraus schlossen sie indirekt darauf, wie hoch dort die Emissionen dieser Gase sind. Dabei kamen die Forscher zu niedrigeren Werten als derzeit angenommen werden. Daher plädieren sie in der Fachzeitschrift „Atmospheric Chemistry and Physics“ dafür, die Emissionen noch einmal genau zu untersuchen.
Lebensspender Monsun
Den Touristen ist er ein Gräuel, für die Einheimischen bildet er die Lebensgrundlage: Von Ende Juni oder Anfang Juli bis in den September oder Oktober treibt der Monsun-Wind zum Beispiel in manche Regionen Indiens zehn Mal mehr Niederschlag, als selbst in den regenreichen Gebieten Deutschlands im ganzen Jahr fällt. Der Monsun bringt das Wasser, das die Menschen trinken und mit dem sie ihre Felder wässern.
Daher bewegt indische Wissenschaftler vor allem, wie sich diese Niederschläge verteilen. Mit dem Monsun verändern sich jedoch auch die Emissionen von Treibhausgasen. So setzen Reisfelder während der Regenzeit große Mengen an Methan und Lachgas frei. Diese Gase werden von der Monsunzirkulation in den globalen Kreislauf geschleust.
Pumpe für Treibhausgase
„Der globalen Auswirkung des Monsuns auf die Verteilung von Spurengasen wurde bislang relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt“, sagt Tanja Schuck. Daher nimmt die Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz diesen Effekt nun mit ihren Kollegen in den Blick. Die Monsun-Zirkulation funktioniert wie eine Pumpe für Treibhausgase, und zwar im ganz großen Stil. Im Sommer erwärmt sich der Kontinent schneller als der Indische Ozean, und im Höhenbereich von acht bis 15 Kilometer bildet sich ein riesiges Hochdruckgebiet, ein sich im Uhrzeigersinn drehender Wirbel, der sich vom Tibetischen Hochplateau bis zur Arabischen Halbinsel erstreckt.
In den Luftschichten darunter fließt feuchte Meeresluft über das Arabische Meer nach Norden. Über dem indischen Subkontinent wird die bodennahe Luft durch die Konvektion, die in tropischen Regionen wegen der starken Sonneneinstrahlung besonders kräftig ist, sehr schnell nach oben transportiert. Zuvor nehmen die Luftmassen die dort emittierten Spurengase wie Methan oder Lachgas auf. So gelangen die Spurengase aus der unteren in die obere Troposphäre. In der oberen Troposphäre wiederum verteilt der Jetstream, ein starker Wind, der dort mit bis zu 540 Kilometern pro Stunde braust, die Gase rasch über die ganze Welt.
Mehr Methan und Lachgas, weniger CO2
In welchem Maße der Monsun Gase aus bodennahen Luftschichten nach oben befördert, haben die Max-Planck-Forscher jetzt erstmals mit direkten Messungen in der oberen Troposphäre nachgewiesen. Die aktuelle Studie ist Teil des CARIBIC-Forschungsprogramms, dessen Name für „Civil Aircraft for the Regular Investigation of the Atmosphere Based on an Instrument Container“ steht. Für dieses Programm haben sie einen Frachtcontainer mit zahlreichen Messinstrumenten bestückt. Unter anderem flog dieser Messcontainer als Spürnase für Treibhausgase in den Monaten von April bis Dezember auf jeweils mehreren Linienflügen von Frankfurt am Main ins indische Chennai. Dabei sammelte das Caribic-System in Höhen von acht bist gut zwölf Kilometern unter anderem Daten über die Konzentrationen von Kohlendioxid und Kohlenmonoxid, Methan, Distickstoffoxid, besser bekannt als Lachgas, Ozon, Wasserdampf und Schwefelhexafluorid.
Die Konzentrationen der meisten Gase nahmen in den Monsun-Monaten von Juni bis September über dem indischen Subkontinent deutlich zu, nur die Menge an Kohlendioxid nahm ab. Diesen Rückgang hatten die Forscher schon erwartet, weil der starke Regen das Pflanzenwachstum ankurbelt. Daher binden die Pflanzen mehr Kohlendioxid, so dass seine Konzentration dank der Umwälzpumpe des Monsuns auch in den höheren Luftschichten sinkt.
Indien drittgrößter Methan-Emittent
„Für den Klimawandel relevanter ist allerdings, dass wir in der Monsunwolke in der oberen Troposphäre eine deutliche Zunahme von Methan und Distickstoffoxid beobachtet haben“, sagt Schuck. Die beiden Gase entstehen zwar in geringeren Mengen, verursachen aber bezogen auf dieselbe Gasmenge einen viel stärkeren Treibhauseffekt als Kohlendioxid und tragen daher ebenfalls stark zur Erderwärmung bei.
Nach China und den USA ist Indien der drittgrößte Methan-Emittent. Während des Monsuns steigen die Emissionen stark an, weil unter anderem mit den Wassermengen auf den Reisfeldern auch die Methan produzierenden Bakterien drastisch zunehmen. Distickstoffoxid oder Lachgas entsteht ebenfalls im Reisanbau aus Stickstoffdünger. „Die Zunahme an Lachgas haben wir zum ersten Mal gemessen“, erklärt Schuck. Für Methan in der Monsunwolke gab es dagegen schon Satellitenmessungen, die vergleichbare Werte lieferten.
Rechnen Klimamodelle mit den richtigen Emissionsdaten?
Aus der gemessenen Zunahme der Gaskonzentrationen in der oberen Troposphäre schlossen die Forscher darauf, wie stark die Emissionen am Boden anstiegen. Dabei halfen ihnen ihre Messungen von Schwefelhexafluorid. Die Emissionen dieses Gases, das nur industriell, etwa in der Hochspannungstechnik, entsteht, sind ziemlich gut bekannt. Die gemessenen Werte in der oberen Troposphäre verrieten den Forschern, wie stark das freigesetzte Schwefelhexafluorid auf dem Weg dorthin verdünnt wird. Mit diesem Verdünnungsfaktor berechneten sie dann auch die Emissionen der anderen Gase, die Caribic erschnuppert hat.
„Überraschenderweise liegen unsere Werte deutlich unter den Emissionsdaten, von denen man bislang ausgegangen ist“, sagt Schuck. Diese Werte haben niederländische Forscher für die gesamte Erde aus oft nur abgeschätzten Statistiken über Treibstoffverbrauch, Bevölkerungsdichte, Nahrungsmittelproduktion und viele anderen Größen abgeleitet und in der Datenbank namens Edgar gesammelt. Mit ihnen werden derzeit Klimamodelle und andere Berechnungen gefüttert. „Unsere Studie zeigt aber, dass man diese Daten noch einmal hinterfragen sollte“, so Schuck abschließend.
(MPG, 31.05.2010 – DLO)