Wie schafft es der Körper, auch bei extremer Ausschüttung des Bluthormons Erythropoietin, kurz Epo, genau die richtige Menge neuer Blutkörperchen zu bilden? Diese Frage haben jetzt Wissenschaftler in „Science“ beantwortet. Der Trick: Die blutbildenden Zellen produzieren die Rezeptoren für das Bluthormon so schnell nach, dass eine Sättigung der Bindungsstellen an ihrer Oberfläche nicht eintritt.
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Auf Blutverlust reagiert unser Körper, indem er die Produktion von roten Blutkörperchen, den Erythrozyten, ankurbelt. Das Signal dafür erhalten die Zellen des blutbildenden Systems im Knochenmark vom Hormon Erythropoietin, besser bekannt unter der Kurzbezeichnung Epo. Das Hormon wird vor allem in der Niere produziert, die in Reaktion auf eine sinkende Sauerstoffsättigung des Bluts den Epo-Spiegel um das bis zu tausendfache in die Höhe treiben kann. Die blutbildenden Zellen empfangen das Epo-Signal über die so genannten Epo-Rezeptoren auf ihrer Oberfläche. Wie aber schaffen es die Blutstammzellen, die nur wenige Rezeptormoleküle tragen, auf einen starken Anstieg der Epo-Konzentration angemessen zu reagieren und immer die erforderliche Menge roter
Blutkörperchen bereitzustellen?
Wie wird der Sättigungspunkt vermieden?
„Wenn zu viel Hormon zu wenige Rezeptormoleküle überschwemmt, wäre eigentlich zu erwarten, dass schnell der Sättigungspunkt erreicht ist, an dem die blutbildende Zelle nicht mehr auf eine weitere Steigerung der Hormonkonzentration reagieren kann“ erklärt Ursula Klingmüller vom Deutschen
Krebsforschungszentrum. Mitarbeiter aus ihrer Abteilung, die der Helmholtz-Allianz für Systembiologie und dem BMBF-MedSys-Netzwerk LungSys angehören, gingen gemeinsam mit Kollegen der Universität Freiburg der Frage nach, wie blutbildende Zellen trotzdem auf eine um Größenordnungen gesteigerte Epo-Menge linear reagieren können. In einem systembiologischen Forschungsansatz kombinierten die Forscher dazu experimentelle Daten mit mathematischen Modellen.
Zellen produzieren Rezeptoren ständig neu nach
Das Forscherteam zeigte, dass nach der Bindung von Epo an seinen Rezeptor beide Moleküle schnell ins Innere der blutbildenden Zellen aufgenommen werden. Dort werden sowohl Rezeptor als auch Hormonmolekül abgebaut. Dabei wird die Zelloberfläche kontinuierlich mit neu synthetisierten Rezeptormolekülen bestückt, die als Vorrat in intrazellulären Lagern bereitstehen. „Dieser Durchsatz von Rezeptormolekülen funktioniert sehr schnell, so bleibt die Zelle in der Lage, weitere Hormonmoleküle in ihrer Umgebung zu erkennen und entsprechend zu reagieren“, erklärt Jens Timmer, der sowohl dem Freiburg Institut for Advanced Studies (FRIAS), dem Forschungskolleg der Universität Freiburg, wie auch dem Exzellenzcluster bioss angehört.
Hilfe für wirksameres Epo gegen Blutarmut
Gentechnisch hergestelltes Epo ist ein wichtiges Medikament gegen Blutarmut, etwa für Dialysepatienten, die oft an einem Mangel an roten Blutkörperchen leiden, weil diese bei der Blutwäsche zerstört werden und zusätzlich die versagende Nierenfunktion zu einem Mangel an natürlichem Epo führt. Die Ergebnisse der Heidelberger und Freiburger Wissenschaftler können dazu beitragen, Epo-Varianten mit verbesserten Bindungseigenschaften zu entwickeln und damit die Behandlung der Blutarmut effektiver zu gestalten.
(Deutsches Krebsforschungszentrum, 25.05.2010 – NPO)