Fünfmal so reißfest wie Stahl und dreimal so fest wie die derzeit besten synthetischen Fasern: Spinnenseide ist ein faszinierendes Material. Doch niemand kann bisher die Super-Fäden technisch herstellen. Wie schafft es die Spinne, aus den im Inneren der Spinndrüse gespeicherten Spinnenseidenproteinen in Sekundenbruchteilen lange, hochstabile und elastische Fäden zu ziehen? Diesem Geheimnis sind jetzt deutsche Forscher auf die Spur gekommen. Sie stellen die Ergebnisse ihrer neuen Studie im Wissenschaftsjournal „Nature“ vor.
„Die hohe Elastizität und extreme Reißfestigkeit der natürlichen Spinnenseide erreichen selbst Fasern aus reinem Spinnenseiden-Protein bisher nicht“, erklärt Professor Horst Kessler vom Institute for Advanced Study der Technischen Universität München (TUM-IAS).
Auf dem Weg zu künstlicher Spinnenseide
Daher ist eine Schlüsselfrage bei der künstlichen Herstellung stabiler Spinnenseide-Fäden: Wie schafft es die Spinne, das Rohmaterial in der Spinndrüse in hoher Konzentration bereit zu halten und bei Bedarf in Bruchteilen einer Sekunde daraus einen reißfesten Faden zu ziehen? Professor Thomas Scheibel von der Universität Bayreuth untersucht bereits seit einigen Jahren den rätselhaften Spinnvorgang.
Spinnenfäden bestehen aus Eiweißmolekülen, langen Ketten, die aus Tausenden von Aminosäure-Bausteinen aufgebaut sind. Röntgenstreuungsexperimente zeigen, dass sich im fertigen Faden Bereiche befinden, in denen mehrere Eiweißketten über stabile physikalische Bindungen miteinander vernetzt sind. Sie bewirken die Stabilität. Dazwischen befinden sich unvernetzte Bereiche, sie sind für die hohe Elastizität verantwortlich.