Geowissen

Stickstoff als CO2-Bremse im Boden

Bei mäßiger Düngung bauen Mikroben weniger organisches Material ab

Tiegelweise Bodenproben: Die Ergebnisse derartiger Analysen sammeln die Jenaer Forscher in der FluxNet-Datenbank. Die Proben geben Aufschluss über den Kohlenstoff-Haushalt des Bodens. © Sven Döring

Stickstoff im Boden reduziert den Treibhauseffekt. Und das nicht nur als Dünger, mit dessen Hilfe Pflanzen Kohlendioxid aus der Atmosphäre binden. Zumindest in Wäldern der gemäßigten Breiten bremst er auch den Abbau von organischem Material im Boden, sodass aus der Erde weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre entweicht. Zu diesem Ergebnis ist jetzt ein internationales Forscherteam in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“ gekommen.

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Die Forscher hatten in ihrer neuen Studie Daten von verschiedenen Feldstudien und Laborexperimenten zusammengetragen. Danach setzen die meisten Böden bei mäßigem Eintrag von Stickstoff weniger CO2 frei – im Schnitt sinkt der Ausstoß um zehn Prozent. Damit ist dieser Effekt etwa so groß wie die Wirkung des verstärkten Pflanzenwachstums. Dennoch, so monieren die Forscher, werde er in derzeitigen Modellen des Kohlenstoffkreislaufs vernachlässigt.

Erhöhte Stickstoff-Konzentration hemmt Bakterien-Appetit

Wie die Prozesse im Boden das Klima beeinflussen und wie sie auf den Klimawandel reagieren, ist noch nicht völlig klar. Für Markus Reichstein vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena steht jedoch fest: „Die gängigen Klimamodelle berücksichtigen die Bodenprozesse nicht genügend.“ Zum Beleg liefern er und 14 weitere Wissenschaftler eine Synopse von Untersuchungen, wie mäßige Stickstoffdüngung oder der Eintrag aus der Luft die Aktivität von Mikroorganismen im Boden beeinflussen.

Demnach hemmt eine erhöhte Stickstoff-Konzentration den Appetit von Bakterien auf organisches Material im Boden: Die Mikroorganismen bauen 15 Prozent weniger Blätter und Zweige an der Oberfläche des Bodens sowie bereits stärker verwittertes organisches Material in der Erde ab. Das ergab sich als Mittelwert von Messungen in 36 Wäldern, die das Forscherteam verglichen hat. Sogar auf 57 einzelnen Experimenten basiert die Abschätzung, wie stark die Menge des Kohlendioxids, das die Boden-Mikroben ausatmen, sinkt – im Schnitt nämlich um etwa ein Zehntel.

Erkenntnis in Klimamodellen berücksichtigen

Unterm Strich ersparen die Stickstoff-gefütterten Mikroorganismen im Boden der Atmosphäre damit etwa die gleiche Menge Kohlendioxid, die Stickstoff-gepäppelte Pflanzen ihr entziehen. „Unter Fachleuten wird diese Erkenntnis schon länger diskutiert“, sagt Reichstein: „Wir haben sie in der aktuellen Studie konsolidiert, indem wir viele Einzelergebnisse zusammengeführt haben.“

Nun plädiert er gemeinsam mit seinen Kollegen dafür, sie endlich auch in Klimamodellen zu berücksichtigen. Das muss jedoch mit Sorgfalt geschehen. Wenn nämlich zu viel Stickstoff in die Erde gelangt, versauert der Boden, die Pflanzen sterben und binden keinen Kohlenstoff mehr – dann häuft sich auch im Boden kein organisches Material an.

Wertvolle FluxNet-Datenbank

Ein wichtiger Teil der Daten, die die Forscher verglichen haben, stammt aus einer neuen FluxNet-Datenbank, die Reichstein und seine Mitarbeiter am Jenaer Max-Planck-Institut wesentlich mit aufgebaut haben. Hier sammeln Wissenschaftler weltweit Messwerte, wie viel CO2, Wasserdampf und Energie Ökosysteme an Land mit der Atmosphäre austauschen. Ein neuer Schwerpunkt ist dabei die Bio-Akitivtät im Boden.

So gut die Datenlage ist, was den Effekt der Stickstoffdüngung auf die bodenständige Mikroflora angeht, beim Mechanismus, wie Stickstoff den Abbau von organischem Material hemmt, sind sich die Forscher noch nicht so sicher. Derzeit diskutieren sie eine Reihe von Prozessen. So bilden Pflanzen weniger Wurzeln aus, wenn sie im stickstoffreichen Boden weniger Aufwand betreiben müssen, um sich mit dem Nährstoff zu versorgen.

Weniger Wurzeln, weniger Pilze

Weniger Wurzeln bedeuten aber auch, dass die Zahl der Pilze zurückgeht, die mit den Pflanzen in Symbiose leben. Die Pilze beschaffen den Pflanzen Stickstoff aus dem Boden, und erhalten im Gegenzug Kohlenhydrate. Leben weniger Pilze im Boden, schrumpft wiederum die Menge der Bakterien, die mit ihnen vergesellschaftet sind.

Und auch die Mikroorganismen müssen weniger Aufwand betreiben, um sich mit Stickstoff zu versorgen. Daher sparen sie sich nach Ansicht der Wissenschaftler die Mühe, gerade die schwer verdaulichen holzigen Pflanzenabfälle zu zerlegen. Denn dabei geht es ihnen weniger um Energieversorgung als um den Stickstoff im Lignin, dem Hauptbestandteil von Holz.

Mikroben-Gesellschaft im Wandel

Zudem wandelt sich die Mikroben-Gesellschaft: Organismen, die zwar mit wenig Stickstoff auskommen, aber aus Pflanzenabfall nicht besonders effektiv Energie gewinnen, werden zurückgedrängt. Stattdessen machen sich solche Bakterien breit, die mit ausreichend Stickstoff gefüttert werden wollen, die aber bei der Energiegewinnung weniger Kohlendioxid ausstoßen.

Auch um diese Prozesse besser zu verstehen, erforschen Reichstein und seine Kollegen das Geschehen im Boden weiter. Sie plädieren zudem dafür, die Wirkung von Stickstoff in den Tropen zu untersuchen. „Möglicherweise hat er dort eine andere Wirkung, weil dort andere Nährstoffe wie zum Beispiel Phosphor viel wichtiger sind“, so Reichstein: „Darüber müssen wir mehr wissen, wenn wir den globalen Effekt abschätzen wollen.“

(MPG, 05.05.2010 – DLO)

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