Auf dem Mars gibt es auch heute noch flüssiges Wasser – zumindest zu bestimmten Jahreszeiten. Das haben jetzt Planetenforscher anhand neuer Aufnahmen der „Mars Reconnaissance Orbiter“ nachgewiesen. Demnach lassen steigende Temperaturen im marsianischen Frühjahr kurzzeitig Wassereis an einem Kraterhang schmelzen und nach unten abfließen. Sichtbar wird dies an einer sich in Etappen verlängernden Erosionsrinne.
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Auch auf dem Mars gibt es Jahreszeiten: Gegen Ende des Winters steigen die Temperaturen auf dem Mars, die im Jahresdurchschnitt bei rund minus 60 Grad Celsius liegen, und können den Gefrierpunkt überschreiten. Dann sind Veränderungen auf der Marsoberfläche zu sehen. Schwarze Flecken auf den Dünen deuten auf Kohlenstoffdioxid-Eis hin, das taut oder vom festen direkt in den gasförmigen Zustand übergeht, also sublimiert. Schon vor einigen Jahren zeigen Auswertungen von hochauflösenden Bildern der amerikanischen Raumsonde „Mars Reconnaissance Orbiter“ (MRO), dass sich auf der Planetenoberfläche eine knapp zwei Meter breite Erosionsrinne am Dünenhang des so genannten Russell- Kraters im marsianischen Frühjahr um knapp 50 Meter verlängerte.
Erosionsrinne verlängert sich
Jetzt haben Forscher vom Institut für Planetologie der Universität Münster (WWU) neue Aufnahmen der Rinne ausgewertet und festgestellt, dass sie nochmals zugelegt hat, zwischen November 2006 und Mai 2009 insgesamt um rund 170 Meter. „Die Veränderungen der Rinne, vor allem in der Länge, sind das Ergebnis von kleinen Mengen schmelzenden Wasser-Eises im Frühjahr und den dadurch ausgelösten Fließbewegungen eines Gemisches aus Wasser und Sand“, so das Fazit der Forscher.
Wie konnten diese Rinnen entstehen? Mögliche Erklärungen sind trockene Massenbewegungen sowie Materialtransporte unter Einwirkung von flüssigem Kohlenstoffdioxid oder flüssigem Wasser. „Trockene Massenbewegungen können wir aufgrund der morphologischen Beschaffenheit der Kanäle eindeutig ausschließen“, erklärt Dennis Reiss, Planetenforscher von der Universität Münster. Die Rinnen zeigen zudem die Besonderheit, dass sie hangabwärts immer dünner werden. Dies ist ein allgemeiner Hinweis darauf, dass eine Flüssigkeit, die im Boden versickert, für die Entstehung verantwortlich sein dürfte.
Schmelzendes Wassereis als Ursache
Auch eine Entstehung durch kurzzeitig flüssiges Kohlenstoffdioxid kommt nach Meinung der Forscher nicht infrage. „Die Auswertung der spektralen Daten zeigt, dass in beiden Jahren sämtliches Kohlendioxid-Eis schon sublimiert war, bevor es zu der Entstehung des Kanals kam“, so Doktorand Gino Erkeling. Der wahrscheinlichste Grund ist nach Auffassung der Forscher daher eine geringe Menge schmelzenden Wasser-Eises, welches von einer überlagernden Schicht Kohlendioxid-Eis vor der Sublimation geschützt wird.
Die Berechnungen der münsterschen Wissenschaftler zeigen, dass die Oberflächentemperaturen im Russell-Krater zu Frühjahrsbeginn den Gefrierpunkt von Wasser überschreiten. „Das Kohlendioxid-Eis und nachfolgend das darunter liegende Wasser-Eis beginnen dann zu schmelzen, und flüssiges Wasser wäre für einen kurzen Zeitraum auf der Oberfläche möglich“, ist sich Planetenforscherin Karin Bauch sicher. Wenn das Wasser dann hangabwärts fließt und sich in den Rinnen sammelt, kommt es zur Erosion. Zudem sind die Erosionszeiträume in beiden Jahren nahezu identisch, was darauf schließen lässt, dass saisonale Effekte verantwortlich sind.
Beleg für flüssiges Wasser auf dem Mars
„Diese Beobachtungen gehören zu den bislang deutlichsten Beweisen, dass auch heute immer noch Wasser auf der Oberfläche des Mars fließen kann, und zwar in einer Menge, die für Erosion ausreichend ist“, erklärt Professor Harald Hiesinger, Direktor des Instituts für Planetologie der Universität Münster. Jedoch entstehen nur kleine Rinnen. „Das heutige Marsklima lässt nur wenig Luftfeuchtigkeit zu, welche sich in Form von Frost auf der Oberfläche absetzen kann. Die Mengen, die schmelzen und zu flüssigem Wasser führen können, sind dementsprechend gering“, so Reiss. „Zu großen Tälern, wie sie sich in der Frühzeit des Mars gebildet haben, reicht es daher nicht.“
(Universität Münster, 29.04.2010 – NPO)