Das größte Teleskop der Welt wird auf dem 3.060 Meter hohen Cerro Armazones in Chile stehen. Das hat gestern das Entscheidungsgremium der Europäischen Südsternwarte ESO entschieden. Das 2018 in Betrieb gehende optische und Infrarotteleskop soll mit seinen 42 Metern Spiegelfläche völlig neue Einblicke in die drängendsten Fragen der Astronomie liefern. Seine Auflösung wird das 15-fache des Hubble Weltraumteleskops erreichen.
Der Cerro Armazones ist ein 3060 Meter hoher Berg in der chilenischen Atacamawüste, rund 130 Kilometer südlich der Stadt Antofagasta. Der vorgesehene Standort ist nur rund 20 Kilometer vom Cerro Paranal entfernt, wo sich bereits das Very Large Telescope der ESO befindet. Ab 2018 wird nun auf dem Cerro Armazones das „European Extremely Large Telescope” (wörtlich „europäisches extrem großes Teleskop”, E-ELT) als optisches und Infrarotteleskop mit einem Hauptspiegeldurchmesser von 42 Metern arbeiten – als weltweit einziges Teleskop dieser Größe.
Adaptive Optik gleicht Turbulenzen aus
Die Spiegel des Teleskops beruhen auf einem innovativen Design, das ihm eine rund 15 Mal höhere Lichtausbeute verleihen wird als die größten heutigen optischen Telekskope. Seine Auflösung wird das 15fache des Hubble Weltraumteleskops erreichen. Der Hauptspiegel des E-ELT besteht aus fast 1.000 hexagonalen Segmetnen, jedes 1,4 Meter groß. Adaptive Optiken ermöglichen es, Turbulenzen der Atmosphäre weitestgehend auszugleichen und so ein besonders klares Blid zu garantieren. Das Licht des Hauptspiegels wird mit Hilfe von weiteren Spiegeln zu den Kameras und Instrumenten des Teleskops geleitet.
Der Ausgleich von Störungen wird dabei vor allem von den beiden letzten Spiegeln geleistet. Mehrere hundert Mal pro Sekunde kann ein 2,5 Meter großer Spiegel, angetrieben durch mehr als 5.000 Aktuatoren, seine Form um Winzigkeiten verändern und so das Flirren der Atmosphäre ausgleichen. Ein weiterer, 2,7 Meter-Spiegel korrigiert in ähnlicher Weise die Effekte des Windes.
Astronomische Qualität der Atmosphäre entscheidend
Die Wahl des Teleskopstandorts lag in den Händen von Delegierten der 14 Mitgliedsländer der ESO, die den so genannten “Council” bilden – das Leitungsgremium der Europäischen Südsternwarte. Der Entscheidung liegt eine mehrjährige Vergleichsstudie der Wetterverhältnisse verschiedener möglicher Standorte zugrunde. Bei der Auswahl spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle. Am wichtigsten sind die astronomische Qualität der Atmosphäre, die Anzahl der klaren Nächte pro Jahr, der Wasserdampfgehalt der Atmosphäre und die Stabilität der Luft über dem Beobachtungsort (das so genannte “Seeing”). Allerdings spielen auch die Bau- und Betriebskosten eine Rolle, sowie die gesteigerte Effektivität sowohl beim Betrieb wie auch bei der wissenschaftlichen Arbeit, die sich durch die Nähe zu bereits existierenden Observatorien ergibt.
Bereits im März 2010 lieferte die mit der Vorbereitung der Standortwahl beauftragte Kommission, das “E-ELT Site Selection Advisory Committee”, dem ESO-Council einen vorläufigen Bericht. In die Endauswahl waren Armazones, Ventarrones, Tolonchar und Vizcachas in Chile, sowie La Palma in Spanien. Jeder dieser Standorte bietet sehr gute astronomische Beobachtungsbedingungen. Der Bericht kam zu dem Schluss, dass es sich beim Cerro Armazones nahe Paranal um einen besonders guten Standort handle. Auch die Wahl des ESO-Council fiel auf den Cerro Armazones.
Neuer „Nachbar“ des VLT auf dem Paranal
Dort sei die Kombination der verschiedenen für die Himmelsbeobachtung günstigen Eigenschaften besonders auswogen; zudem könne das Observatorium gemeinsam mit dem Paranal-Observatorium der ESO betrieben werden. Cerro Armazones und Paranal weisen sehr ähnliche, für astronomische Forschung ideale Beobachtungsbedingungen auf. Insbesondere gibt es dort pro Jahr mehr als 320 klare Nächte. Schon im Vorhinein hatte die chilenische Regierung zugesagt, der ESO ein weitläufiges Gebiet zu übereignen, das den Cerro Armazones enthält und an den bestehenden ESO-Grundbesitz rund um das Paranal-Observatorium angrenzt. So sind beide Observatorien langfristig vor ungünstigen Einflüssen geschützt, insbesondere vor Lichtverschmutzung und den Folgen von Bergbauaktivitäten.
Meilenstein für die Astronomie
„Dies ist ein Meilenstein für dieses ehrgeizige Projekt, das einen gewaltigen Zuwachs an astronomischem Wissen zur Folge haben wird“, kommentiert Tim de Zeeuw, Generaldirektor der ESO. „Jetzt können wir die grundlegende Planung abschließen. Mein Dank gilt dem mit der Standortwahl befassten Team, das in den letzten beiden Jahren hervorragende Arbeit geleistet hat.” Das E-ELT wird sich einigen der drängendsten offenen Fragen der astronomischen Forschung widmen, und könnte unser Bild des Universums in ähnlich drastischer Weise verändern wie Galileis Teleskop vor 400 Jahren. Die endgültige Entscheidung über den Bau des Teleskops wird Ende 2010 erwartet.
(ESO, 27.04.2010 – NPO)