Die europäische Luftfahrt steht noch immer ganz im Zeichen des Ausbruchs des Eyjafjallajökull und der Aschenwolke. Noch ruht der Flugverkehr in fast allen europäischen Ländern. Heute sollen Messflugzeuge die Lage klären. Airlines, Meteorologen und Flugsicherheitsvertreter streiten sich inzwischen darüber, wie gefährlich die Vulkanasche denn nun wirklich ist.
In fast allen europäischen Ländern war der Flugverkehr über das gesamte Wochenende hinweg lahmgelegt. Noch bis 20.00 Uhr am heutigen Montag, 19. April, sollen auch in Deutschland die Flieger am Boden bleiben, das erklärte eine Sprecherin der Deutschen Flugsicherung (DFS) heute früh. Die Grundlage für diese Entscheidung bildete eine Wetterprognose des „Volcanic Ash Advisory Center“ (VAAC) in London. Dieses vom britischen Met Office geführte Warnzentrum ist eines von neun meteorologischen Forschungsstationen weltweit, die das Auftreten von Vulkanasche in der Luft beobachten und prognostizieren.
Was macht die Vulkanasche so gefährlich?
Die Hauptgefahr, so erklären Luftfahrtexperten, geht von dem geringen Sauerstoffgehalt innerhalb der Vulkanwolken aus. Das das Kerosin für die Verbrennung auf den Luftsauerstoff angewiesen ist, können schlimmstenfalls die Triebwerke von Düsenmaschinen komplett ausfallen. Solche Fälle traten in den 1980er Jahren bereits mehrfach nach Vulkanausbrüchen in Indonesien auf. Eine weitere, wenn auch geringere Gefahr ist die Beschädigung der Flugzeugturbinen, da die Aschenpartikel bei der hohen Geschwindigkeit der Flieger wie ein Sandstrahlgebläse wirken. Die Triebwerke selbst sollten dies zwar eigentlich verkraften, doch die empfindlicheren Sensoren für Höhe und Geschwindigkeit könnte ausfallen und dadurch die Sicherheit des Fluges gefährden. Aus diesem Grund wird ab einer bestimmten zu erwartenden Aschenkonzentration in der normalen Flughöhe ein Flugverbot für Verkehrsmaschinen empfohlen.
Keine negativen Folgen an Testmaschinen
Die Lufthansa und andere Airlines kritisieren, dass die Empfehlungen des VAAC nur auf Computermodellen und Prognosen beruhen. In diese werden vorherrschende Luftströmungen und der – noch immer anhaltende – Aschenausstoß des Vulkans mit einbezogen. Die Modellberechnungen werden mit zusätzlichen Informationen, z.B. aus Satellitenaufnahmen, abgeglichen und ergänzt. Für die Luftfahrtkonzerne bedeutet das Flugverbot einen massiven Umsatzverlust. Einige Airlines haben am Wochenende Testflüge durchgeführt und anschließend die Maschinen auf Beschädigungen untersucht. Dabei seien keinerlei negative Folgen nachweisbar gewesen.
DWD: Aussagekraft von Testflügen nur gering
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hat der Kritik der Fluggesellschaften widersprochen. Meteorologen des DWD führten bei München Messungen mit einem speziellen Lasergerät durch und wiesen dabei Aschestaub in den Luftschichten zwischen 3.000 und 7.000 Metern nach. Auch deutlich gesunkene Ozonwerte seien ein Hinweis auf die Existenz der Aschewolke, da das Ozon mit der Asche reagiere. Die Sichtflüge, die einzelne Fluggesellschaften seit dem Wochenende absolviert haben, liefern zwar Informationen zur Aschekonzentration in der Luft, allerdings sei die Aussagekraft dieser Flüge begrenzt, da die Flugzeuge nur sehr kurz in der Luft waren und nicht über entsprechende Messinstrumente verfügen. Wenn an diesen Flugzeugen keine Schäden beobachtet worden sind, ließe dies zudem keinesfalls den Rückschluss zu, die Aschekonzentration im deutschen Luftraum sei für den Luftverkehr ungefährlich.
Auch das Bundesverkehrsministerium wies die Vorwürfe der Airlines zurück. Die Entscheidung der DFS, in den Lufträumen der 16 internationalen Flughäfen sowie der Regionalflughäfen derzeit keine kontrollierten Flüge stattfinden zu lassen, diene der Sicherheit aller Passagiere. Eine Freigabe des Luftraums könne erst dann erfolgen, wenn gesicherte Informationen vorliegen, dass von der Vulkanasche keine Gefahr mehr für den Luftverkehr ausgehe. Zudem sei dies kein deutscher Alleingang, sondern die Entscheidung beruhe auf europäischen Absprachen.
Messflüge sollen Datenlage klären
Die Datenlage könnte sich heute erheblich verbessern. Denn das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) wird heute Messflüge mit speziell ausgerüsteten Flugzeugen durchführen, die mehr Aufschluss über die Aschenkonzentration in verschiedenen Höhen liefern sollen.
Wie geht es dann weiter? Üblicherweise, so erklärt der DWD, verdünnt sich Vulkanasche und Staub aus Höhen bis etwa zehn Kilometern über Grund recht schnell und sedimentiert dann innerhalb weniger Tage oder Wochen. Zum Teil wird der Staub auch durch Niederschläge ausgewaschen. Entscheidend wird jedoch sein, ob der Vulkan in den nächsten Tagen erneut größere Mengen an Asche und Staub freisetzt oder zur Ruhe kommt.
Vulkan speit noch immer Asche
Noch ist der isländische Vulkan nach wie vor aktiv. Zudem herrscht derzeit eine ungünstige Wetterlage, die den Transport der Aschewolken nach Zentraleuropa wahrscheinlich macht. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Beeinträchtigungen des Luftverkehrs andauern werden. Vorübergehende Verbesserungen oder Verschlechterungen der Lage sind dabei nicht auszuschließen. Die Computermodelle des DWD zeigen auch in den nächsten Tagen keine durchgreifenden Änderungen der Luftströmungen. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass das Hauptwindfeld vorübergehend wieder direkt über Deutschland zu liegen kommt.
(VAAC, DWD, DLR, 19.04.2010 – NPO)