Europas erste Satellitenmission zur Vermessung der Eisfelder in der Antarktis und Grönland hat begonnen: Um 15.57 Uhr Mitteleuropäischer Zeit startete am 8. April 2010 der Erdbeobachtungssatellit CryoSat-2 an Bord einer russischen Trägerrakete vom Typ Dnepr von Baikonur in Kasachstan aus in eine Erdumlaufbahn von 717 Kilometern Höhe. Bis 2013 soll er die Eisschilde in der Antarktis und in Grönland sowie das Meereis erforschen.
Die polaren Eisschichten sind von fundamentaler Bedeutung für das Erdklima, die Meeresströmungen und den Meeresspiegel.Mit Hilfe der CryoSat-2-Höhenmessungen können Wissenschaftler nun erstmals die Veränderung der polaren Meereisdicke und -masse sowie die Beiträge zur Meeresspiegelveränderung durch die großen Eisschilde exakt darstellen. So können verlässliche Klimaprognosen erstellt und Gefahren für tiefliegende Küstenregionen frühzeitig erkannt werden. Wissenschaftler erwarten von der CryoSat-2 Mission wesentliche neue Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen der Erderwärmung, dem Abschmelzen der Polkappen und den Veränderungen der ozeanischen Wasser- und Luftzirkulation.
Neuartiges Messkonzept SIRAL erstmals im Einsatz
Die Unterscheidung von Meereis-Vorkommen, deren größter Teil sich unterhalb des Meeresspiegels befindet, und dem umgebenden Wasser stellt eine besondere Herausforderung dar. Herkömmliche weltraumgestützte Höhenmesser, sogenannte Altimeter, werfen Radarwellen senkrecht zum Boden und registrieren das von der Oberfläche zurück gestreute Licht. Mit der Kenntnis der genauen Position des Satelliten zu einem bestimmten Zeitpunkt und der Laufzeiten der Wellen kann auf die Höhe des beleuchteten Bereiches auf der Erdoberfläche geschlossen werden. Die Messungenauigkeit liegt bei ungefähr zehn Zentimetern. An geneigten, oft rauen Randgebieten der Eisschilde wächst der Fehler mit dieser Methode jedoch leicht auf mehr als 100 Meter an.
Aus diesem Grund kommt bei CryoSat-2 ein neuartiges Messinstrument namens SIRAL (Synthetic Aperture Interferometric Radar Altimeter) zum Einsatz: Dieses besteht aus zwei quer zur Flugrichtung angeordneten Antennen, die durch einen Antennenrahmen aus Karbonfasern miteinander verbunden sind. Gemessen wird die Phasendifferenz, also die unterschiedlichen Laufzeiten des Signals vom
Satelliten zur Erde und zurück. So lässt sich der Ort der Radarrückstreuung exakt bestimmen, so wie auch die Oberflächenneigung quer zur Flugrichtung.
Erste Daten im August 2010
Nach Abschluss der voraussichtlich sechs Monate dauernden Inbetriebnahme-Phase wird CryoSat-2 zirka im August 2010 erstmals wissenschaftlich konkret nutzbare Daten generieren. Die Betriebsdauer ist zunächst auf drei Jahre ausgelegt. Bei CryoSat-2 handelt es sich um die dritte „Explorer“-Mission im Rahmen des ESA-Erderkundungsprogramms „Living Planet“ nach der Schwerefeld-Mission GOCE und der Ozeansalzgehalt-/Bodenfeuchte-Mission SMOS. Drei weitere Spezialsatelliten sind derzeit in Vorbereitung. Die Explorer-Satelliten lösen mittelfristig die bewährten europäischen Umweltsatelliten ERS-1, ERS-2 und ENVISAT ab.
Überwacht und gesteuert wird die Mission von dem Europäischen Raumfahrtkontrollzentrum der ESA in Darmstadt. Insgesamt 18 wissenschaftliche Einrichtungen werden die von CryoSat-2 gesendeten Daten aufbereiten und auswerten. Das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des DLR in Oberpfaffenhofen ist im Bereich der Bildanalyse eingebunden. Zur Koordination von Nutzeranfragen und Öffentlichkeitsarbeit hat das DLR in Zusammenarbeit mit dem Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven ein CryoSat-Projektbüro eingerichtet. Hauptauftragnehmer bei dem Bau von CryoSat-2 war EADS Astrium in Friedrichshafen.
Mehr zu CryoSat in unserem Dossier: „CryoSat: Mission ins Eis“
(Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), 09.04.2010 – NPO)