Biologie

Pflanzen haben Insekten-Duftsignale kopiert

Anlockung von Bestäubern und Abschreckung von Fraßfeinden durch tierische Duftstoffe

Der Sommerflieder lockt Nachtfalter mit Duftsubstanzen an, die auch weit verbreitete Sexuallockstoffe bei Schmetterlingen sind. © Universität Zürich

Blütenpflanzen haben im Lauf der Evolution die chemischen Kommunikationsmittel der Insekten kopiert: Sie setzen die gleichen Botenstoffe ein wie diese – aber zu einem unterschiedlichen Zweck. Das berichtet jetzt ein Schweizer Evolutionsbiologe in der Fachzeitschrift „Ecology Letters“. Sowohl zur Anlockung von Bestäubern als auch zur Abschreckung von Pflanzenschädlingen nutzen Pflanzen ursprünglich von Tieren entwickelte Duftstoffe.

Anlocken und Abschrecken – beides machen Pflanzen mit Hilfe von Duftstoffen. Für ihre sexuelle Fortpflanzung locken sie mit speziellen Duftstoffen die Bestäuberinsekten an. Mit anderen Duftsignalen dagegen schützen sie sich vor Insektenfraß. Der Evolutionsbiologe Florian Schiestl, Professor an der Universität Zürich, hat nun untersucht, in welchem Maß Pflanzen und Insekten gleiche Signalmoleküle einsetzen. Für seine Studie analysierte er die flüchtigen chemischen Verbindungen von 96 Pflanzen- und 87 Insektenfamilien.

Tierische Duftstoffe abgesondert von Pflanzen

Es zeigte sich, dass Blütenpflanzen für beide Zwecke – Anlocken und Abschrecken von Insekten – eine besonders raffinierte Strategie entwickelt haben: Sie verwenden Duftsignale, die von den Insekten in ihrer eigenen Kommunikation eingesetzt werden. Die am weitaus häufigsten vorkommenden Blütenduftmoleküle werden auch häufig innerhalb des Kommunikationssystems der Insekten eingesetzt. Und zwar als Sexuallockstoff oder als Verteidigungssubstanz.

Pflanzen und Insekten nutzen somit die gleichen chemischen Botenstoffe – aber zu unterschiedlichen Zwecken. Bei den Botenstoffen handelt es sich um zwei chemische Substanzgruppen: Um Monoterpene und um Aromaten. Monoterpene kommen sowohl bei Pflanzen als auch bei pflanzenfressenden Insekten vor. Bei den Aromaten dagegen zeigen sich vor allem Korrelationen zwischen Pflanzen und bestäubenden Insekten.

Pflanzen haben „abgeguckt“

Daraus folgert Schiestl, dass Pflanzen in ihren Blüten Aromaten zum Anlocken der Bestäuber und Monoterpene zum Abschrecken der Fraßinsekten produzieren. Und auch entwicklungsgeschichtlich ist das Resultat interessant: Die meisten Insektengruppen sind bekanntlich wesentlich älter als die Mehrheit der Pflanzengruppen. Pflanzen haben sich in ihrer evolutionären Geschichte somit die bestehenden Kommunikationssignale der Insekten zu Nutze gemacht. Das umgekehrte Szenario – Insekten, die bestehende Pflanzenduftstoffe in ihr Kommunikationssystem einbauen – scheint dagegen die Ausnahme zu sein.

(Universität Zürich, 15.03.2010 – NPO)

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