In den Weltmeeren gibt es mehr Bakterien als andere Organismen in der gesamten Biosphäre. Doch die Wissenschaft weiß kaum etwas über sie. Jetzt aber ist das Genom von Dinoroseobacter shibae – einem wahren Tausendsassa unter den Meeresmikroben – von einem interdisziplinären Forschungsverbund entschlüsselt worden.
Die Weltmeere bedecken 70 Prozent der Oberfläche unseres Planeten und sind bevölkert mit Bakterien, die zahlreicher sind als alle anderen Organismen der Biosphäre. Doch die Wissenschaft weiß kaum etwas über sie, denn die meisten Bakterien lassen sich bisher im Labor nicht am Leben erhalten. Eine Ausnahme sind nun Bakterien der so genannten Roseobacter-Gruppe, zu denen Dinoroseobacter shibae gehört. Das Besondere an dieser Mikrobe: Sie lebt in Symbiose mit einzelligen Algen und bewegt sich gewissermaßen per Anhalter durchs Meer. Fortbewegungsmittel sind unter anderem Algen der Gruppe der Dinoflagellaten, die in vielen Küstenmeeren, beispielsweise der Nordsee, vorkommen.
Mikrobielles Ausstattungswunder
Das Bakterium ist aber auch in anderer Hinsicht ein wahrer Tausendsassa: Es enthält die komplette Enzymausstattung zur Photosynthese, der Energiegewinnung aus Licht, verschiedene Möglichkeiten zum Überleben in Abwesenheit von Sauerstoff, ein besonders ausgefeiltes bakterielles Immunsystem zur Abwehr von Infektionen durch Phagen, fünf Plasmide und Gene für spezielle Signalstoffe. Es ist darauf spezialisiert, von der Alge mit Nährstoffen versorgt zu werden. Nun ist es einem Wissenschaftlerverbund unter Beteiligung der Universitäten Oldenburg, Braunschweig und Göttingen, der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen(DSMZ) und des Helmholtz Zentrums für Infektionsforschung (HZI) gelungen, anhand des Mikrobengenoms die Abbauwege für typische Algeninhaltsstoffe, wie beispielsweise bestimmte Zucker, zu finden.
Einzigartige Vitaminproduktion
Überraschend, so der Oldenburger Meeresforscher Professor Meinhard Simon, war insbesondere die Erkenntnis, dass das Bakterium in der Lage ist, Vitamin B12 zu synthetisieren – und zwar nicht nur unter Verwendung von Sauerstoff, sondern sogar unter sauerstofffreien Bedingungen. Dieser Befund sei bisher einzigartig für Meeresbakterien. Um das Vitamin herzustellen, verfügt das Bakterium über 25 spezialisierte Enzyme. Bislang wurde eine derartige Symbiose – Vitamine gegen Zucker- im Ozean noch nicht nachgewiesen. Diese Erkenntnis wirft ein neues Licht auf die Bedeutung der bakteriellen Flora für Algenblüten – ein Thema, mit dem sich die Forscher in Zukunft beschäftigen wollen.
Unter dem Titel „The genome of Dinoroseobacter shibae – a hitchhiker’s guide to life in the sea – berichten die Wissenschaftler in der neuesten Ausgabe des renommierten ISME Journal der International Society For Microbial Ecology (ISME) über ihre Entdeckung.
(Universität Oldenburg, 16.02.2010 – NPO)