Ein niedriger Intelligenz-Quotient (IQ) ist nach dem Rauchen der wichtigste Risiko-Indikator für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung, bedeutsamer noch als Übergewicht und Bluthochdruck. Das hat jetzt eine britische Langzeitstudie ergeben. Auch die Sterblichkeit sei bei Menschen mit niedrigerem IQ erhöht, wie die Forscher in der Fachzeitschrift „European Journal of Cardiovascular Prevention and Rehabilitation“ berichten. Ob es allerdings einen ursächlichen Zusammenhang gibt, wird diskutiert.
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Dass sozial Unterprivilegierte eine erheblich geringere Lebenserwartung haben als Bevölkerungsgruppen in den oberen sozialen Schichten ist seit langem bekannt. Welche Faktoren aber sind es genau, die dieses bewirken? Das wollten auch britische Mediziner wissen. Sie werteten die Ergebnisse einer vom britischen Medical Research Council finanzierten Langzeitstudie aus, in Lebensumstände und Gesundheitszustand von 1.145 Männern und Frauen über einen Zeitraum von 20 Jahren hinweg erfasst worden waren. Heute sind die Teilnehmer um die 55 Jahre alt.
Die Wissenschaftler untersuchten im Rahmen der Studie die Auswirkungen sozialer Faktoren auf die Gesundheit in der Allgemeinbevölkerung, dabei erfassten sie Daten zu Körpergröße, Gewicht, Blutdruck, Tabakkonsum, körperlicher Aktivität, Bildung und Beruf. Die geistigen Fähigkeiten (IQ) wurden mit einem der üblichen Intelligenztests ermittelt.
Bedeutet geringere Intelligenz gesundheitsschädlicheres Verhalten?
Es zeigte sich, dass Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen häufig auch einen tendenziell niedrigeren IQ aufwiesen. Nach Ansicht des Studienleiters Dr. David Batty könnte es hier einen ursächlichen Zusammenhang geben. Er sieht mehrere Mechanismen, wodurch ein niedriger IQ das Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung erhöhen könnte. Insbesondere sei das der Zusammenhang von geringer Intelligenz und gesundheitsschädigendem Verhalten zum Beispiel hinsichtlich Rauchen oder geringer körperlicher Aktivität und die damit verbundenen Folgen wie Übergewicht oder Bluthochdruck.
Eine weitere mögliche Erklärung sei der Umstand, dass der IQ eines Menschen als Indikator der Summe im Laufe seines Lebens erfolgter physischer Schäden etwa durch Krankheit oder Fehlernährung angesehen werden kann. Die individuellen Fähigkeiten eines Patienten, reflektiert durch seinen IQ, seien von großer Wichtigkeit für das Management seiner kardiovaskulären Risikofaktoren, so Batty.
IQ versus äußere Zwänge
Im Klartext: Wer dümmer ist, kümmert sich weniger um seine Gesundheit. Das allerdings ist eine steile These, die nicht alle teilen. Denn es spielen schließlich auch äußere Faktoren eine wichtige Rolle, betont auch Professor Helmut Gohlke vom Herz-Zentrum in BadKrozingen. „In Deutschland ist das Mortalitätsrisiko der niedrigeren Einkommensgruppen bei vergleichbarem Alter im Vergleich zur ökonomisch am besten gestellten Gruppen um den Faktor 2,5 erhöht, und damit liegt die Bedeutung des sozialen Status – gemessen am Einkommen – in der gleichen Größenordnung wie diejenige des IQ“, so der Kardiologe.
„Das Verdienst dieser Arbeit ist, auf die relative Bedeutung des IQ im Vergleich zu einigen bekannten Risikofaktoren hingewiesen zu haben“, kommentiert Gohlke die Ergebnisse. „Der niedrige IQ ist kein Risikofaktor, sondern lediglich ein Indikator für höhere Gefährdung. Der IQ ist auch keineswegs vollständig begabungsabhängig, sondern auch bildungs- und ausbildungsabhängig.“ Eine Prävention müsse daher auch immer darauf zielen, diese Handicaps zu beseitigen.
(Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung, 16.02.2010 – NPO)