Astronomie

Schwarzes Loch mit Entfernungsrekord

Stellarer Überrest liegt sechs Millionen Lichtjahre entfernt und ist ungewöhnlich massereich

Das Schwarze Loch im Zentrum der Röntgenquelle NGC 300 X-1 (künstlerische Darstellung) © L. Calçada / ESO

Astronomen haben in einer anderen Galaxie das fernste bislang bekannte stellare Schwarze Loch entdeckt. Der Überrest eines explodierenden Sterns ist mit mehr als 15 Sonnenmassen zudem der zweitmassereichste seiner Art. Das Schwarze Loch ist Teil eines Doppelsternsystems, dessen anderer Partner ebenfalls zu einem Schwarzen Loch werden wird.

Wenn ein extrem massereicher Stern am Ende seiner Lebenszeit angelangt ist, ist sein Brennstoffvorrat für die Kernfusion erschöpft. Als Folge wird sein Kern instabil und kollabiert. Während die Sternenhülle in einer katastrophalen Explosion, einer Supernova, ins All hinaus geschleudert wird, komprimiert die Kernmaterie zu einem Schwarzes Loch. Die stellaren Schwarzen Löcher der Milchstraße sind mit bis zur zehnfachen Sonnenmasse schon recht schwer, doch gegenüber denen in anderen Galaxien könnten sie sich als Leichtgewichte erweisen. Denn jetzt haben Astronomen der Europäischen Südsternwarte ein Exemplar dieser Art außerhalb unserer Heimatgalaxis entdeckt, das sogar 15 Sonnenmassen umfasst – und damit zu den Rekordhaltern gehört.

Rätselhafte Röntgenquelle

Die Entdeckung dieses stellaren Schwarzen Lochs vollzog sich in mehreren Schritten. Zunächst stieß das ESA-Röntgenobservatorium XMM-Newton auf eine extrem starke Röntgenquelle in der sechs Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie NGC 300. Die Quelle der Strahlung konnte aber nicht identifiziert werden. Im Jahre 2007 unterzog dann ein Röntgenteleskop an Bord des NASA-Satelliten Swift diese Röntgenquelle einer genaueren Untersuchung: „Wir stellten periodisch äußerst starke Röntgenabstrahlungen fest – ein Hinweis darauf, dass dort ein Schwarzes Loch lauert“, so Stefania Carpano von der ESA, ein Mitglied des Forscherteams.

Dank neuer Beobachtungen mit dem Instrument FORS2, das am Very Large Telescope der ESO installiert ist, können die Astronomen diese Vermutung jetzt bestätigen. „Dies ist das bislang entfernteste stellare Schwarze Loch, dessen Masse bestimmt werden konnte, und das erste Mal, dass wir ein solches Objekt außerhalb unserer kosmischen Nachbarschaft, der lokalen Gruppe, nachweisen konnten“, erklärt Paul Crowther, Professor für Astrophysik an der Universität Sheffield.

Ungewöhnliche „Tanzpartner“

Die Daten zeigen, dass das neu entdeckte Schwarze Loch und ein Begleitstern mit einer Umlaufzeit von 32 Stunden umeinander kreisen. Dabei entzieht das Schwarze Loch seinem Tanzpartner bei jedem Umlauf Materie. „Die Partner dieses Paares stehen einander sehr nahe“, sagt Robin Barnard, ein weiteres Mitglied des Teams. „Es ist uns ein Rätsel, wie diese enge Bindung die stürmischen Entwicklungsphasen, die der Entstehung des Schwarzen Lochs vorangegangen sein müssen, überlebt hat.“

Der Begleitstern des Schwarzen Loches ist ein so genannter Wolf-Rayet-Stern von 20 Sonnenmassen, ein Stern, der gegen Ende seines Lebens bereits einen Großteil der Materie aus seinen äußeren Schichten abgestoßen hat. Obwohl Astronomen eine Reihe von Doppelsystemen aus Schwarzem Loch und Stern kennen, ist dies erst das zweite Mal, dass ein System aus einem Wolf-Rayet-Stern und einem Schwarzen Loch gefunden wurde.

Die Röntgenquelle NGC 300 X-1 in der Spiralgalaxie NGC 300 © P. Crowther / ESO / Digitized Sky Survey 2

Auch Begleitstern wird zum Schwarzen Loch

In weniger als einer Million Jahren wird auch der Begleitstern als Supernova explodieren – und seine Zentralregion zu einem Schwarzen Loch kollabieren. Dieses allerdings wird vermutlich nur eine relativ geringe Masse aufweisen. Denn ausgehend von den bislang bekannten Systemen vermuten die Forscher einen Zusammenhang zwischen der Masse des Schwarzen Lochs und der Zusammensetzung seiner Heimatgalaxie:

„Wir haben festgestellt, dass sich die massereichsten stellaren Schwarzen Löcher vorwiegend in kleineren Galaxien finden, die weniger ’schwere‘ chemische Elemente enthalten“, so Crowther. Zu den schweren Elementen gehören vor allem Metalle. „Größere Galaxien wie unsere Milchstraße, die größere Mengen an schweren Elementen enthalten, bringen offenbar nur stellare Schwarze Löcher mit geringerer Masse hervor.“

Verschmelzung vorprogrammiert

Offenbar beeinflusst der Gehalt an schwereren Elementen die Entwicklung massereicher Sterne so, dass sie schon vor dem Kollaps größere Mengen an Hüllmaterial in den Raum blasen – wie beim Wolf-Rayet-Stern der Fall. Das Schwarze Loch, das beim anschließenden Kollaps entsteht, kann dann weniger Materie in sich vereinigen, und besitzt eine entsprechend geringere Masse.

„Wenn das System diese zweite Explosion überlebt, werden die Schwarzen Löcher nach einiger Zeit verschmelzen und dabei gewaltige Mengen an Energie in Form von Gravitationswellen aussenden“, so Crowther. „Unsere Studie zeigt, dass Systeme dieser Art sehr häufig sein könnten. Einige davon, die bereits zu einem doppelten Schwarzen Loch geworden sind, könnten sich mit Gravitationswellendetektoren wie LIGO oder Virgo nachweisen lassen.“ Bis zur Verschmelzung des jetzt neu entdeckten Paares werden jedoch nach der Sternenexplosion noch Milliarden von Jahren vergehen.

Die hier vorgestellten Ergebnisse werden in Kürze in der Fachzeitschrift „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“ erscheinen.

(ESO, 28.01.2010 – NPO)

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