Im Weltmeisterschaftsjahr 2010 schlagen die Herzen der Fußballfans wieder schneller. Man mag ihnen deshalb auch verzeihen, wenn sie sich über jedes Foul, das gegen ihre Mannschaft gepfiffen wird, aufregen. Doch sie könnten sogar Recht haben: Denn niederländische Forscher haben herausgefunden, dass in unklaren Spielsituationen eher der größere von zwei Spielern für ein Foul verantwortlich gemacht wird.
Für ihre neue Studie, die sie im „Journal of Sport & Exercise Psychology“ vorstellen, haben die Forscher über einen Untersuchungszeitraum von sieben Jahren alle Fouls in drei großen Fußballwettbewerben ausgewertet.
Verzerrte Wahrnehmung?
Niels van Quaquebeke und Steffen Giessner, Wissenschaftler an der Rotterdam School of Management der Erasmus Universität, begannen ihre Arbeit, indem sie ihre Einsichten aus der Entscheidungsforschung in der Wirtschaft auf den Bereich des Sports übertrugen. Ziel war es zu überprüfen, ob Personen, die über eine unklare Foulsituation entscheiden müssen, die erhältlichen Informationen unverzerrt verarbeiten.
Schiedsrichter und Fans einer Meinung
Basierend auf Evolutions- und Linguistikforschung und der Annahme, dass die Körpergröße von anderen Personen mit Konzepten wie Aggression und Dominanz zusammenhängt, spekulierten die beiden Forscher, dass wahrscheinlich eher größere Spieler für Fouls bei unklarer Foullage verantwortlich gemacht werden. Und ihre Ergebnisse zeigen in der Tat, dass sowohl Schiedsrichter als auch Fans größere Spieler eher für Foultäter halten und ihre entsprechend kleineren Gegenspieler für Foulopfer.
Um ihre Annahme zu testen, analysierten die Wissenschaftler alle Fouls der Fußball-Bundesliga der Saisons 2000/01 bis 2006/07 (85.262 Fouls), aus sieben Jahren UEFA Champions League (32.142 Fouls) sowie alle Fouls aus den letzten drei FIFA World Cups (1998, 2002 und 2006; insgesamt 6.440 Fouls). Darüber hinaus führten van Quaquebeke und Giessner auch zwei Wahrnehmungsexperimente mit Fußballfans durch.
Das Ergebnis ist in jedem Jahr, in jeder Liga und auch in den Experimentalstudien das gleiche: Größere Spieler werden häufiger für ein Foul in unklaren Situationen verantwortlich gemacht – selbst wenn gar kein Foul vorlag.
Viele strittige Foulsituationen
Van Quaquebeke dazu: „Wir haben uns für den Fußball als Kontext für unsere Entscheidungsstudie entschieden, da es in diesem Sport viele uneindeutige Foulsituationen gibt, in denen es schwer ist, den wahren Täter zu ermitteln. Um in solchen Situationen dennoch entscheiden zu können, vertrauen Menschen häufig auf ihre ‚Instinkte’. Dies macht es wahrscheinlich, dass Körpergröße als zusätzliche Information verarbeitet wird und dies somit auch statistisch nachgewiesen werden kann.“
Zudem werde in Fußballverbänden immer wieder diskutiert, ob zusätzliche, Schiedsrichter-unterstützende, Technologie oder eine bessere Schiedsrichterausbildung nötig seien. „Unsere Studie könnte den Fußballoffiziellen vielleicht dabei helfen, verschiedene Optionen besser gegeneinander abzuwägen“, so van Quaquebeke. Beide Forscher machen aber auch klar, dass die Entscheidung zu den praktischen Konsequenzen nicht bei ihnen liegt.
(Rotterdam School of Management, 27.01.2010 – DLO)