Nach Jahren der Dunkelheit ist der Nordpol des Saturn jetzt wieder von der Sonne beschienen – und enthüllt eines der seltsamsten Phänomene des Sonnensystems: einen sechseckigen Strömungsring um den Saturn-Pol. Er wird durch Jetstreams, starke Winde, gebildet und hat sich seit Jahren nicht verändert. Der Raumsonde Cassini gelangen jetzt erste Detailbilder des Hexagons, eine wichtige Voraussetzung, um zu klären, warum diese Strömung so ungewöhnlich langlebig und formstabil ist.
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Entdeckt wurde das seltsame, sechseckige Strömungsmuster schon durch die Voyager-Sonden in den frühen 1980er Jahren. Wie ein leicht gewelltes Band umgibt es den Planeten auf 77 Grad nördlicher Breite. In diesem zwei Erddurchmesser dicken Strömungsband rasen Winde mit rund 100 Meter pro Sekunde durch die Saturnatmosphäre. Wie die Strömungen dabei verlaufen und warum das Band ausgerechnet diese sechseckige, scheinbar unveränderliche Form hat, ist bis heute unklar. Die frühen Bilder lieferten wenig mehr als die grobe Form, dann versank das Hexcagon im Dunkel der Polarnacht und blieb für 15 Jahre verborgen.
Nach 15 Jahren in gleicher Form an gleicher Stelle
Erst im Januar dieses Jahres begann sich das Polardunkel zu lichten und die Sonne beleuchtete allmählich auch wieder den extremen Norden des Planeten. Das war die Chance für die hochauflösenden Kameras der NASA-Sonde Cassini. Aus 55 Einzelbildern der Sonde erzeugten Wissenschaftler ein Panorama, das den Windgürtel erstmals im Detail abbildet. Sie bestätigten, dass sich der Jet-Stream tatsächlich noch immer an der gleichen Stelle befindet, wie es damals die Voyager-Bilder zeigten. Zudem enthüllen sie zuvor nicht sichtbare konzentrische Ringe, Wellen, Turbulenzen und Abstufungen.
„Eines der bizarrsten Dinge im Sonnensystem“
„Die Langlebigkeit des Hexagons macht dies zu etwas Speziellem, vor allem angesichts der Tatsache, dass das Wetter auf der Erde alle paar Wochen wechselt”, erklärt Kunio Sayanagi, Mitglied des Cassini-Bildauswertungsteams am California Institute of Technology. „Es ist ein Rätsel der gleichen Größenordnung wie die seltsamen Wetterbedingungen, die den langlebigen roten Fleck auf dem Jupiter entstehen lassen.“ Infrarotaufnahmen der Cassini-Sonde hatten gezeigt, dass sich das Hexagon tief in die Atmosphäre hineinzieht und auch während des Polardunkels stationär blieb.
„Jetzt, wo wir Wellen und zirkuläre Strukturen anstelle von bloßen Blobs in dem Hexagon sehen können, können wir auch versuchen, einige der offenen Fragen zu einem der bizzarrsten Dinge, die wie jemals im Sonnensystem gesehen haben, zu beantworten“, erklärt Kevin Baines, Atmosphärenforscher am Jet Propulsion Laboratorium der NASA in Pasadena.
Eckenwellen und „Seitenwände“ als Hinweise für Mechanismen?
Durch genaues Studium der Cassini-Aufnahmen wollen die Wissenschaftler nun dem Geheimnis auf die Spur kommen. Besonderen Aufschluss erhoffen sie sich dabei von neu entdeckten Wellen, die von den Ecken des Hexagons ausgehen – dort, wo der Jetstream die engsten Kurven ausführt. Auch eine mehrwändige Stuktur, die sich von den Seiten des Sechsecks bis zur Oberseite der atmosphärischen Wolkenschicht erstreckt, könnte entscheidende Hinweise liefern, was diese Strömungsform erzeugt und stabil macht.
„Das wird uns auch dabei helfen, einige der fundamentalen Fragen über das Wetter auf unserem Planeten zu beantworten, die noch immer offen sind“, fährt Baines fort. Denn weil der Saturn statt Landmassen und Ozeane eine relativ gleichförmige Oberfläche besitzt, kann er den Forschern quasi als vereinfachtes Modell für die Erde dienen. Ungestört von topografischen Einflüssen können sie hier die Entwicklung und Eigenschaften von atmosphärischen Stömungen und Mustern studieren.
(NASA/JPL, 11.12.2009 – NPO)