Musik und Sprache sind enger verbunden als gedacht: Gleich zwei neue Studien zeigen, dass die beiden wichtigsten musikalischen Tonleitertypen – Dur und Moll – auf den physikalischen Faktoren basieren, die auch die menschliche Stimme bei traurigem oder frohen Sprechen prägen. Nach Ansicht amerikanischer Forscher deutet dies auf eine evolutionäre Verbindung hin. Es erklärt auch, warum trotz Millionen von Möglichkeiten nur eine Handvoll von Tonleitern in der Musik genutzt werden.
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Wir erzeugen Töne, beispielsweise Vokale, indem wir Luft durch unsere Stimmbänder strömen lassen. Der Klang unserer Sprache wird dabei durch eine Reihe von harmonischen Frequenzen bestimmt, deren relative Stärke die unterschiedlichen Vokale charakterisiert. Instinktiv erkennen wir an der Sprachmelodie und Klangfärbung aber auch die Stimmung unseres Gegenübers. Ähnlich ist es mit Musik: Während Dur-Tonleitern auf uns eher fröhlich und klar wirken, erscheinen Moll-Tonleitern eher gedämpft. Gleichzeitig nutzen wir in der Musik meist nur fünf bis sieben Tonleitertypen um eine Oktave zu zergliedern, obwohl es theoretisch noch Millionen anderer gäbe.
Vergleich der Klangspektren von Musik und Sprache
Dass beides – Sprache und Musik – möglicherweise enger verbunden ist als bisher angenommen, haben nun Wissenschaftler der Duke Universität in den USA herausgefunden. In ihrem Projekt sammelten sie zunächst 1.000 klassische Kompositionen und mehr als 6.000 Volkslieder in einer Datenbank und analysierten die Tonqualitäten der Musikstücke. Zusätzlich ließen sie zehn Probanden eine Reihe von einzelnen Worten die zehn verschiedene Vokalklänge enthielten auf jeweils drei unterschiedliche Weisen sprechen: einmal aufgeregt-fröhlich, einmal gedämpft-traurig und einmal als kurze Monologe. Dann verglichen die Forscher die Tonspektren der Dur- und Moll-Melodien mit den Spektren der verschiedenen gesprochen Worte.
Fröhliches Sprechen in Dur, trauriges in Moll
Es zeigte sich, dass die Sprechstücke anhand ihrer Tonspektren auf die gleiche Weise sortiert werden konnten wie die Musikstücke: Die fröhlichen Stücke wiesen deutlich mehr Dur-Intervalle auf, die traurigen mehr Moll-Intervalle. Dies deutet darauf hin, dass Musik und Sprache in ihrer Melodie eine enge Verwandtschaft aufweisen. Obwohl diese jetzt im „Journal of the Acoustical Society of America” (JASA) veröffentlichte Studie zunächst auf westlicher Musik und gesprochenem Englisch basiert, gibt es nach Ansicht der Forscher Grund zur Annahme, dass diese Funde allgemein gelten. So ergab eine weitere, von Daniel Bowling von der Duke Universität, durchgeführte Studie an Sprechern des Mandarin-Chinesischen ähnliche Ergebnisse.
„Unsere Liebe zur Musik ist ein glückliches Nebenprodukt der biologischen Vorteile der Sprache und unserem Bedürfnis, deren emotionalen Inhalt zu verstehen“, erklärt Dale Purves, Professor für Neurobiologie und Leiter der Forschungsgruppe.
Sprachmelodie als Basis musikalischer Tonleitern?
In einer weiteren, in der Fachzeitschrift „PLOS One“ erschienenen Studie, hat ein weiteres Teammitglied, Kamraan Gill, nachgewiesen, dass die gebräuchlichsten musikalischen Tonleitern physikalisch auf der menschlichen Sprache basieren. Denn, so der Forscher, die beliebtesten Tonleitern lassen sich direkt aus den harmonischen Strukturen der Vokaltöne ableiten. Im Experiment konmte man die Attraktivität und Beliebtheit musikalischer Tonleitern danach vorhersagen, wie gut sie mit den harmonischen Charakteristiken der Vokale in der menschlichen Sprache übereinstimmten.
„Es gibt eine starke biologische Basis für die Ästhetik des Tons“, erklärt Purves. „Menschen bevorzugen Tonkombinationen, die denen der Sprache ähneln.“ Den biologischen Grund sieht der Forscher darin, dass die Sprache eine kritische Errungenschaft in unserer Evolution darstellt und damit den Menschen stark prägte. „Emotionale Kommunikation sowohl in Sprache als auch in Musik hat seine Wurzeln vermutlich in frühen, nicht-sprachlichen Vokalisationen“, erklärt sich Bowling die Übereinstimmungen.
(Duke University, 04.12.2009 – NPO)