Neurobiologie

Gehirn plant im Voraus – wenn es kann

Gehirnaktivität bei planbaren und ungeplanten Bewegungen unterschiedlich

Die gleiche Bewegung kann durch ganz unterschiedliche Gehirnaktivitäten gesteuert werden. Welche Schaltkreise dabei jeweils in Aktion treten, richtet sich danach, wie gut die Bewegung und ihre Richtung vorausplanbar sind. Das haben Wissenschaftler jetzt an Versuchen mit Rhesusaffen gezeigt. Die im „Journal of Neurology“ veröffentlichte Erkenntnis ist unter anderem für die Entwicklung von hirngesteuerten Prothesen für schwerstgelähmte Patienten von Bedeutung.

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Es hängt sehr von den konkreten Umständen ab, wie viel Aufwand unser Gehirn für die Planung und Vorbereitung einer Bewegung treiben kann. Mal greift man nach einem Objekt, das vor einem auf dem Tisch steht – man kann die Bewegung gut vorbereiten. Mal greift man danach, wenn es überraschend

herunterfällt – dann muss schnell reagiert werden und es gibt keine Zeit, im Voraus zu planen. Wissenschaftler um Jörn Rickert vom Bernstein Zentrum für Computational Neuroscience und Universität Freiburg, haben nun herausgefunden, dass identische Bewegungen auf unterschiedlichen neuronalen Aktivitäten im motorischen Cortex beruhen können – abhängig davon, wie gut die

Bewegung geplant ist.

Experiment: Farbwechsel macht Griff planbar oder nicht

Um zu untersuchen, wie das Gehirn unterschiedlich gut geplante Bewegungen steuert, analysierten die Wissenschaftler die Gehirnaktivität von Rhesusaffen. Die Daten hierzu wurden am Centre National de la Recherche Scientifique in Marseille erhoben. Die Tiere saßen vor einem Bildschirm mit sechs im Kreis angeordneten Schaltflächen, von denen sie jeweils eine bestimmte berühren sollten. In einer Variante des Versuchs wurde dem Affen schon eine Sekunde bevor er zur Greifbewegung ansetzte eindeutig angezeigt, welche der Schaltflächen er betätigen sollte – sie leuchtete grün auf. Ein Farbwechsel nach rot war dann das Signal für das Tier, danach zu greifen.

In anderen Varianten des Experiments wurde zunächst nur die ungefähre Richtung der Bewegung angegeben – zwei oder drei nebeneinander liegende Schaltflächen leuchteten grün auf. Nach einer Sekunde wurde dann aber nur eine der Schaltflächen rot, der Affe musste dann nach dieser greifen. Dieses Vorgehen ließ das Tier für eine Sekunde lang in relativer Unsicherheit, was genau zu tun ist. Während des gesamten Versuchsdurchlaufs wurde die Aktivität einzelner Nervenzellen im motorischen Cortex des Affen gemessen.

Genaue neuronale Vorbereitung nur, wenn Ziel bekannt

Mit quantitativ-statistischen Methoden untersuchten die Wissenschaftler, wie gut die Bewegungsrichtung in verschiedenen Phasen des Versuchsablaufs aus der gemessenen Aktivität der Nervenzellen ermittelt werden kann. Sie stellten fest, dass die neuronale Codierung der Bewegung stark von der Menge der zur Verfügung stehenden Information abhängt. Wenn das Bewegungsziel vorher exakt bekannt ist, bereitet das Gehirn die Bewegung genau vor. Die Bewegungsrichtung

lässt sich in diesem Falle schon vor Beginn der Bewegung – während der Planungsphase – aus der Aktivität der Neurone ablesen.

Wenn das Ziel dagegen nicht genau bekannt ist, kann natürlich auch nicht so gut geplant werden. Umso akkurater aber arbeiten die Neurone dann während der Ausführung der Bewegung. „Der motorische Cortex plant die Bewegungen so früh wie möglich – sobald die dafür erforderliche Information vorhanden ist“, erklärt Rickert das Resultat. Eine Planungsunsicherheit wird später dadurch kompensiert, dass die Neurone während der Bewegung genauer rechnen.

Wichtig für gedankengesteuerte Prothesen

Die Ergebnisse der Freiburger Wissenschaftler gehen unter anderem in die Entwicklung von „Brain Computer Interfaces“ (BCIs) ein. Mithilfe von BCIs sollen Bewegungsinformation aus dem Gehirn ausgelesen werden, so dass schwerstgelähmte Patienten Kraft ihrer Gedanken Prothesen ansteuern können. „Unsere, wie auch andere Ergebnisse zeigen allerdings, dass es keine eindeutige Beziehung zwischen neuronaler Aktivität und Bewegung gibt“, erklärt Rickert.

Nicht nur die Planungssicherheit, sondern auch Aufmerksamkeit oder Motivation können die Bewegungscodierung stark beeinflussen. „Solche Faktoren müssen bei der Dekodierung von Bewegungen aus dem Gehirn und deren Anwendung auf Brain Computer Interfaces mit berücksichtigt werden“, so Rickert.

(Nationales Bernstein Netzwerk Computational Neuroscience, 06.11.2009 – NPO)

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