Geowissen

Extrem lange Nachbeben im Platteninneren

Modell verändert Sicht auf vermeintliche „Hintergrund“-Seismizität

Erdbeben, die sich heute inmitten von Kontinenten ereignen, könnten Nachwehen von großen Beben sein, die schon vor hunderten von Jahren stattfanden. Zu dieser überraschenden Erkenntnis kommen amerikanische Wissenschaftler jetzt in „Nature“ mit Hilfe eines neuen Modells. Das ungewöhnlich lange „Nachschwingen“ könnte auch bisherige Annahmen über die Seismizität fern von Plattengrenzen verändern.

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Das Erdbeben im Jahr 2008 in Sichuan, China, kam für viele Seismologen überraschend, denn es ereignete sich an einer Verwerfung, die in der jüngeren Vergangenheit nur geringe Aktivität gezeigt hatte. Im Gegensatz zu Regionen an Plattengrenzen, wo schwere Beben quasi an der Tagesordnung sind, finden sich im Inneren von Kontinenten wie der Sichuan-Region nur ältere tektonische Störungen mit meist eher spärlicher Seismizität – zumindest in historischer Zeit. Mangelnde Daten machen es jedoch schwer, hier einen echten Einblick in die langfristige Seismizität und damit das Erdbebenrisiko zu gewinnen.

Modell analysiert Nachbebendauer

Seth Stein von der Northwestern Universität in Evanston und Mian Liu von der Universität von Missouri in Columbia haben nun ein einfaches Modell entwickelt, das die Länge von Nachbebensequenzen verschiedener Verwerfungstypen mit ihrer „Ladezeit“ in Beziehung setzt. Gängige tektonische Theorien gehen davon aus, dass Verwerfungen und damit auch die an ihnen stattfindenden Beben einen Zyklus von schlagartiger Entspannung – dem Beben – und allmählicher Spannungszunahme – dem „Laden“ – durchlaufen.

„Normale Seismizität“ in Wirklichkeit Nachbbeben?

Die Modellierung zeigt, dass an Plattengrenzen, wo die meisten schweren Beben stattfinden, die Plattenbewegung dazu führt, dass sich die Verwerfungen schnell wieder „aufladen“. Gleichzeitig sinkt dadurch die Nachbebenaktivität sehr schnell wieder ab. Anders dagegen im Kontinentinneren: Hier dauert es sehr viel länger, bis sich der Untergrund entlang der Störungen verschiebt und wieder Spannung aufbaut. Dadurch erlauben die Bedingungen längere Nachbeben-Phasen.

Nach Ansicht der Forscher können diese Nachbeben-Phasen sogar so lange andauern, dass sie fälschlicherweise als normale „Hintergrund“-Seismizität angesehen werden. Als Folge werde das langfristige Erdbebenrisiko in solchen Gebieten möglicherweise überschätzt.

(Nature, 05.11.2009 – NPO)

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