Neurobiologie

Geruch: Gehirn registriert zuerst bekannt oder neu

Forscher sind Ursprung olfaktorischer Emotionen auf der Spur

Olfaktorisches Experiment: Während der Proband verschiedene Gerüche einatmet, messen Elektroden seine physiologischen Reaktionen. Das Ergebnis: Bevor das Gehirn einen Geruch als angenehm oder unangenehm klassifiziert, überprüft es, ob er ihm vertraut ist oder nicht. © SNF

Schon Baudelaire oder Proust wussten, dass Geruchswahrnehmung und Gefühle eng miteinander verbunden sind. Gerüche gehören zu den großen Stimulatoren des menschlichen Geistes. Jetzt ist Schweizer Forschern zum ersten Mal der Nachweis gelungen, dass die Einschätzung der Geruchswahrnehmungen einem strengen Muster folgt.

Neu oder schon bekannt? Angenehm oder unangenehm? Ist das Gehirn mit einem Geruch konfrontiert, beurteilt es ihn innerhalb weniger Sekunden in dieser Reihenfolge und nicht etwa umgekehrt. Mit anderen Worten: An erster Stelle überprüft das Gehirn, ob ihm beispielsweise ein Parfum vertraut ist oder nicht. Erst dann klassifiziert es den Geruch als angenehm oder unangenehm.

Wahrnehmung verschiedener Gerüche untersucht

Forscher der Universität Genf haben dieses Prinzip erstmals aufgedeckt. Die Informationsverarbeitung von olfaktorischen Stimuli erfolgt nach einer organisierten Sequenz, die sich in zwei Phasen gliedern lässt: erst die Entdeckung von etwas Neuem, dann die Einordnung ja nach Gefallen oder Missfallen. Diese beiden Phasen wurden während eines Experiments identifiziert, das die physiologischen Reaktionen auf die Wahrnehmung verschiedener Gerüche untersucht.

18 mit Elektroden auf bestimmten Partien des Gesichts und des Körpers versehene Personen atmeten Paare von Geruchsmustern ein, die unterschiedlichen aromatischen Gattungen angehören – blumig, fruchtig oder tierisch. Die Wissenschaftler maßen dabei die elektrische Aktivität der Gesichtsmuskeln, die Schweißabsonderung an den Händen und den Herzschlag und setzten die Daten auf einer Zeitachse miteinander in Bezug.

Ursprung der emotionalen Mechanismen

Die Ergebnisse erlauben ihnen, der Aufdeckung des Ursprungs der emotionalen Mechanismen, die an die Sinne und insbesondere an die Gerüche geknüpft sind, einen großen Schritt näher zu kommen.

Diese häufig in der Literatur dargestellten Mechanismen – von Baudelaires „Flacon“ bis hin zum berühmten Phänomen der Madeleine bei Proust – stoßen heute auf großes Interesse der Kosmetikindustrie. So profitiert die am Zentrum für Affektive Wissenschaften der Universität Genf durchgeführte Forschungsarbeit von der finanziellen Unterstützung durch Firmenich, einen international operierenden Duftstoffhersteller mit Sitz in Genf.

Auswirkungen von Gerüchen auf die Gefühlswelt messen

Eines der Ziele dieser Zusammenarbeit besteht in der Entwicklung verlässlicher Instrumente, mit denen man die Auswirkungen von Gerüchen auf die Gefühlswelt messen kann. In kommerzieller Hinsicht ist es von großem Interesse, das Geheimnis der Geruchswahrnehmung zu entschlüsseln und an den Ursprung des olfaktorischen Gedächtnisses vorzustoßen.

Wer könnte wohl einer Anti-Falten-Crème widerstehen, die Kindheitserinnerungen weckt, oder einem Lippenstift, der an den unvergesslichen Geschmack des ersten Kusses erinnert?

(Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, 30.10.2009 – DLO)

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