Millionen von Zugvögeln machen sich jedes Jahr auf den Weg in wärmere oder kältere Gebiete der Erde. Ihr Navigationssystem funktioniert äußerst präzise. Die Orientierung am Magnetfeld der Erde spielt dabei die entscheidende Rolle. Zu den großen Mysterien gehörte bisher die Frage, welche sensorischen Mechanismen den Vögeln erlauben, das Magnetfeld wahrzunehmen. Oldenburger Forscher haben dieses Geheimnis nun gelüftet.
Wie die Wissenschaftler in „Nature“ berichten, orientieren sich die Vögel nicht nur am Magnetfeld, sondern können seine Ausrichtung regelrecht „sehen“ können. Verantwortlich dafür ist eine als „Cluster N“ bezeichnete Hirnregion, die ein Teilbereich des Sehzentrums ist. Der magnetische Kompass der Vögel befindet sich demnach im Bereich der Augen.
Cluster N im Visier der Forscher
Bereits 2004 vermuteten die Teams von Professor Henrik Mouritsen von Mouritsen von der Universität Oldenburg und seinem Kollegen Professor Erich Jarvis von der Duke University in den USA, dass sie mit dem Cluster N die Hirnregion identifiziert hatten, die für die Orientierung am Magnetfeld eine besondere Bedeutung haben könnte.
Mit den jüngsten Untersuchungen konnten die Wissenschaftler um Mouritsen und Manuela Zapka zusammen mit Professor Martin Wild, University of Auckland, New Zealand, jetzt nachweisen, dass Deaktivierungen des Clusters dazu führen, dass die Vögel ihren magnetischen Kompass zur Orientierung nicht mehr nutzen können. Die Fähigkeit, sich an der Sonne oder den Sternen zu orientieren, bleibt allerdings unbeeinträchtigt. Das Cluster N ist also empirisch nachweisbar in die Verarbeitung magnetischer Feldinformationen involviert, so die Forscher.
Auch andere Formen der Magnetfeldwahrnehmung untersucht
Die Studie untersuchte aber auch andere mögliche Formen der Magnetfeldwahrnehmung. So konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die als Magnetsensoren in Verdacht stehenden Eisenmineral- Kristalle in der oberen Schnabelhaut keine entscheidende Rolle für den Magnetkompass spielen. Obwohl die Forscher den Trigeminus-Nerv, die einzige Nervenverbindung zwischen den Eisenmineralkristallen im Schnabel und dem Gehirn, inaktivierten, konnten die Vögel immer noch problemlos ihren magnetischen Kompass nutzen.
Meilenstein in der sensorischen Biologie
Die jetzt vorgelegten Ergebnisse sind nach Angaben der Wissenschaftler ein wichtiger Meilenstein in der sensorischen Biologie, da die Mechanismen der Magnetfeldwahrnehmung bisher als unerklärbar galten. „Unsere Erkenntnisse können genutzt werden, um Zugvögel und andere seltene Tierarten besser schützen zu können“, sagte Mouritsen.
Oft bemühen sich Tierschützer darum, seltene Vögel in neue Brutgebiete umzusiedeln oder ihre Zugrouten zu ändern, um damit auf Gefahren und Veränderungen im natürlichen Habitat der Tiere zu reagieren. Dabei ergaben sich in der Praxis oft große Schwierigkeiten. Die meisten umgesiedelten Vögel flogen zu ihren angestammten Winter- und Brutquartieren zurück. Nur durch ein umfassendes Verständnis der Orientierungsmechanismen von Vögeln könne es künftig eine Chance geben, gefährdete Populationen erfolgreich umzusiedeln, betonte Mouritsen.
Neue Erkenntnisse auch für den Menschen wichtig?
Auch für den Menschen, der Tag für Tag großen Mengen elektromagnetischer Strahlung ausgesetzt ist – zum Beispiel durch Mobiltelefone, Radiowellen oder magnetbasierte Bildgebungsverfahren im klinischen Kontext – könnten die neuen Erkenntnisse wertvoll sein. Die Identifikation der neuronalen Bahnen bei Vögeln, die durch Magnetfelder beeinflusst werden, könne, so Mouritsen, ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einem präziseren Verständnis der Veränderungen sein, die Magnetfelder in Molekülen, Proteinen und Zellen in Organismen hervorrufen können.
(idw – Universität Oldenburg, 29.10.2009 – DLO)