Unzählige molekulare Schalter steuern die Stoffwechselvorgänge in biologischen Zellen, indem sie unterschiedlichste Reize weiterleiten. Verblüffenderweise besitzen die Schalter eine sehr einheitliche Molekülstruktur, obwohl jeder einzelne von ihnen nur auf ein einziges chemisches Signal reagiert. Eine Erklärung dafür liefern jetzt deutsche Wissenschaftler.
Sie haben einen fundamentalen Schaltmechanismus entdeckt, der im Laufe der Evolution trotz der hohen Spezialisierung in allen Schaltern erhalten geblieben ist. Die Forscher des Forschungszentrums Dresden-Rossendorf (FZD) berichten über ihre neuen Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Journal of Biological Chemistry“.
Einheitlicher Schaltmechanismus?
Biologische Schalter – auch Rezeptoren genannt – sind komplexe Moleküle, die insbesondere in den Zellwänden sitzen. Sie ermöglichen die Reaktion einer Zelle auf äußere Reize, indem sie immer dann Stoffwechselvorgänge an- und abschalten, wenn eine entsprechende chemische Substanz an die Außenseite der Zelle bindet. Obwohl jeder Rezeptor nur auf eine ganz bestimmte Substanz anspricht, besitzen viele von ihnen einen sehr ähnlichen molekularen Aufbau.
Das führte die FZD-Wissenschaftler zu der Annahme, dass den Rezeptoren ein einheitlicher Schaltmechanismus zugrunde liegen könnte. Um dies zu untersuchen, beschäftigten sie sich mit einem Rezeptortyp, der aus sieben Molekülbereichen besteht. Im Menschen sind etwa 1.000 solcher siebenteiligen Rezeptoren bekannt, wo sie als Schalter für Hormone, Neurotransmitter, Geruchsstoffe oder auch Licht arbeiten. Mehr als die Hälfte aller verschreibungspflichtigen Medikamente wirken auf Rezeptoren dieses Typs.
„Protonen-Schalter“ im Visier der Forscher
„Wir haben nachgewiesen, dass ein wichtiger Teil des Schaltvorgangs nicht direkt durch die chemische Struktur von Hormonen oder anderen reizauslösenden Substanzen bewirkt wird“, so die FZD-Wissenschaftler Karim Fahmy und Sineej Madathil. Vielmehr spielt sich ein entscheidender Vorgang in einem Bereich des Rezeptors ab, den die Wissenschaftler „Protonen-Schalter“ nennen, weil dafür Protonen, also positiv geladene Wasserstoffatome, eine zentrale Rolle spielen.
Sie sind ein natürlicher Bestandteil von Wasser und daher auch im Zellinnern vorhanden. Der Schaltvorgang findet in einem Molekülteil statt, der an das Zellinnere grenzt, während die Erkennung chemischer Reize an der Außenseite des Rezeptors erfolgt. Die Forscher fanden heraus, dass der Protonen-Schalter wie in einem arbeitsteiligen Aufbau als eigenständiges Modul funktioniert.
„Im Laufe der Evolution musste dieser Schaltmechanismus also nicht für jeden neuen Botenstoff neu erfunden werden. Stattdessen blieb das erfolgreiche Modul im siebenteiligen Gesamtaufbau der Rezeptormoleküle erhalten, während sich die chemischen Erkennungsregionen an die verschiedensten Signale angepasst haben“, erklärt Fahmy. Die äußeren chemischen Signale haben lediglich die Aufgabe, die Stelle des Rezeptors freizulegen, mit der die Protonen reagieren können.
Viele Anwendungsmöglichkeiten
Neben der grundlegenden medizinischen Bedeutung der Ergebnisse sehen die FZD-Forscher in dem von ihnen künstlich hergestellten, einfachen Protonen-Schalter ein großes Potenzial für Anwendungen im Bereich der Sensorik. So könnten Minilabore in Form künstlicher Zellen hergestellt werden, die über solche Schaltmechanismen mit ihrer Außenwelt kommunizieren – ein Vorgang, der unter anderem in der Umweltanalytik zum Nachweis und der Entfernung von toxischen Substanzen eingesetzt werden könnte.
(idw – Forschungszentrum Dresden – Rossendorf, 27.10.2009 – DLO)