Das Teilchen Xi ist seltsam, selten und schwer. Es existiert überhaupt nur für einen sehr kurzen Augenblick und auch nur, wenn schwere Atomkerne aufeinander prallen. Physiker haben nun erstmals die ungewöhnlichen Xi-Teilchen in Kollisionen von Atomkernen bei vergleichsweise geringen Energien gefunden. Abweichend von theoretischen Vorhersagen bildeten sich zudem mehr der Teilchen als erwartet, berichten die Forscher in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“.
Nachgewiesen wurden die Xi-Teilchen mit dem einmaligen Detektorsystem HADES, das im Rahmen einer internationalen Kooperation unter Beteiligung des Forschungszentrums Dresden-Rossendorf (FZD) am GSI-Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt entstand.
Xi-Teilchen enthält zwei Strange-Quarks
Materie ist aus Atomkernen aufgebaut, die wiederum aus Protonen und Neutronen bestehen. Die kleinsten Bausteine, aus denen Protonen und Neutronen zusammengesetzt sind, heißen Quarks. Up- und Down-Quarks bilden den Großteil der uns bekannten Welt. Doch daneben existieren noch viele weitere Teilchen und Bausteine, nach denen Physiker an den großen Beschleunigern wie dem Schwerionensynchrotron SIS an der GSI in Darmstadt oder dem LHC am Europäischen Forschungszentrum CERN fahnden.
Besteht ein Teilchen auch aus den so genannten Strange-Quarks, so sprechen die Kernphysiker von einem seltsamen Teilchen. Das Xi-Teilchen ist gleich doppelt seltsam, enthält es doch zwei Strange-Quarks. Für die mit dem HADES-Detektor aufgespürten Xi-Teilchen fanden die Physiker vom Forschungszentrum Dresden-Rossendorf nun heraus, dass ihre Entstehung stark von den theoretischen Vorhersagen abweicht.
Mehr Xi-Teilchen als gedacht
So bilden sie sich schon bei vergleichsweise geringen Energien, bei denen mehrere Kernbausteine ihre Bewegungsenergie kooperativ zusammenlegen müssen, um solcherart massive und neue Teilchen erzeugen zu können. Dabei entstehen zudem aufgrund noch ungeklärter Mechanismen mehr von den seltenen Xi-Teilchen als mit vorhandenen theoretischen Modellen berechnet werden. Gerade bei Stößen von schweren Ionen bei geringen Energien, so die Forscher, stimmen somit die theoretischen Vorhersagen über die Xi-Erzeugung nicht mit den Resultaten der Experimente überein.
700 Millionen Kollisionen
Bei rund 700 Millionen Kollisionen an einem großen Teilchenbeschleuniger am GSI identifizierten die Wissenschaftler insgesamt 140 Xi-Teilchen. Das klingt wenig, liegt aber um eine ganze Größenordnung über den Prognosen. Deshalb sollte die Theorie zur Produktion von Seltsamkeit tragenden Teilchen in Schwerionen-Kollisionen nach Ansicht der Physiker noch einmal überarbeitet werden.
Für die Experimente am SIS wurden Argon-Atomkerne auf 94 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und zur Kollision mit Kernen gleicher Masse gebracht. Die Reaktionsprodukte dieser Stöße zeichnete das Detektorsystem HADES auf. Ein Großteil der Bewegungsenergie wird beim Zusammenprall in Masse neugebildeter Teilchen umgewandelt.
Evolution der Materie im Urknall nachstellen
Durch Kernstöße verdichtete Kernmaterie wird unter anderem untersucht, um im Labor frühe Evolutionsphasen der Materie im Urknall und die anschließende Bildung der chemischen Elemente nachzustellen. Seltene seltsame Teilchen sind sensible Indikatoren für diese Prozesse.
Hochkomprimierte Kernmaterie befindet sich auch heute noch im Inneren von Neutronensternen, die neben den Schwarzen Löchern die dichtesten Materiekonzentrationen im Universum darstellen.
(idw – Forschungszentrum Dresden – Rossendorf, 22.10.2009 – DLO)