Im Untergrund unter dem australischen Outback haben Wissenschaftler mehr als 850 bisher unbekannte wirbellose Tierarten entdeckt. Diese erstaunlich vielfältige Lebenswelt in Höhlen und unterirdischen Gewässern hatte sich offenbar vor dem letzten Klimawandel vor 15 Millionen Jahren in den Untergrund zurückgezogen und sich bis heute in Isolation entwickelt.
Der australische Outback ist der Inbegriff von Dürre und Lebensfeindlichkeit. Einige Wüsten im Zentrum des Kontinents gehören zu den trockensten der Erde. Aber der erste Eindruck täuscht: Denn im Untergrund existiert gerade dort eine vielfältige Lebenswelt – zur großen Überraschung von australischen Wissenschaftlern. In großen und kleinen Höhlen sowie in unterirdischen Gewässern leben zahlreiche wirbellose Tierarten, die bisher völlig unbekannt waren.
850 unbekannte Arten von Wirbellosen
Ein Team aus 18 Forschern verschiedener australischer Universitäten hat diese unterirdische Lebenswelt unter den ariden und semiariden Gebieten Australiens vier Jahre lang systematisch untersucht. Dabei identifizierten sie bereits 850 unbekannte, neue Wirbellosen-Arten. Darunter befinden sich verschiedene kleine Krebse, Spinnen, Würmer und viele andere.
„Wir haben festgestellt, dass man nicht in die Tiefen des Ozeans tauchen muss, um neue Arten von wirbellosen Tieren zu entdecken – man muss nur in seinem eigenen Hinterhof nachschauen”, erklärt Andy Austin, Professor für evolutionäre Biologie und Biodiversität an der Universität von Adelaide. „Unsere Forschung hat ganze Gemeinschaften von wirbellosen Tieren enthüllt, die noch vor ein paar Jahren vollkommen unbekannt waren.
Neue Lebenswelt unter dem Outback
Nur rund die Hälfte der neu entdeckten Arten hat bisher einen offiziellen Namen erhalten. Sie alle gehören zur „Stygofauna“ – Tieren, die in unterirdischen Gewässern leben – oder aber zur Troglofauna – Tieren, die in Höhlen und Mikrohöhlen leben. „Was wir entdeckt haben ist eine völlig neue Komponente der Artenvielfalt Australiens“, so Austin. „Das ist eine große Entdeckung und trotzdem macht sie gerade mal ein Fünftel der neuen Arten aus, die unserer Ansicht nach noch im Untergrund des australischen Outback existieren.“
Rückzug in den Untergrund vor 15 Millionen Jahren
Aber warum leben überhaupt so viele Arten in Höhlen und anderen lichtlosen Gefilden? Austin und seine Kollegen haben auch dafür eine Erklärung parat: „Was wir hier sehen ist im Prinzip das Resultat eines vergangenen Klimawandels. Mittel- und Südaustralien waren vor 15 Millionen Jahren ein sehr viel feuchterer Ort. Damals gab es eine blühende Vielfalt von an der Oberfläche lebender wirbelloser Fauna“, erklärt Austin. „Aber der Kontinent wurde trockener, ein Prozess der rund ein bis zwei Millionen Jahre dauerte und im heute ariden Klima resultierte.“
Viele austrocknungsgefährdete Wirbellose suchten währenddessen in für sie günstigeren Lebensräumen wie unterirdischen Gewässern und Mikro-Höhlen Zuflucht. Hier überlebten sie und entwickelten sich isoliert voneinander weiter. „Die Entdeckung dieser ‚neuen Biodiversität‘ ist nicht nur wissenschaftlich interessant, sie stellt auch neue Herausforderungen für den Artenschutz“, erklärt Austin. „Denn viele dieser Arten wurden in Gebieten entdeckt, die potenziell durch Bergbau und Landwirtschaft beeinflusst werden.“
(University of Adelaide, 30.09.2009 – NPO)