Dass Schwämme sich durch Knospung vermehren können, war bereits bekannt. Dass diese Knospen aber alle typischen Entwicklungsmerkmale und Phasen der sexuellen Vermehrung aufweisen, haben jetzt erst deutsche biologen und Physiker herausgefunden. Wie sie in der Fachzeitschrift „Frontiers in Zoology“ berichten, legt dies nahe, dass sexueller und asexueller Vermehrung in Schwämmen ähnliche oder teilweise identische genetische Regulationsprinzipien zu Grunde liegen.
Die Entwicklung ihrer Nachkommen vom Embryo über die Larve zum ausgewachsenen Organismus verläuft bei Tieren in einer komplexen Abfolge unterschiedlicher Entwicklungsstadien. Diese ist genetisch genau festgelegt und galt bislang als charakteristisches Merkmal der sexuellen Fortpflanzung im Tierreich. Wissenschaftler des Institutes für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena zeigen nun aber, dass ähnliche Entwicklungsmuster auch schon bei der asexuellen – der ungeschlechtlichen – Vermehrung von einfachsten Tieren eine Rolle spielen.
Schwammknospung unterm Röntgenmikrokop
Ihr Untersuchungsobjekt waren dabei Schwämme, eine Tiergruppe, die vermutlich seit mehr als einer Milliarde Jahren die Weltmeere bevölkert. „Ein Teil ihres evolutionären Erfolgs liegt darin begründet, sich zusätzlich zur sexuellen Fortpflanzung auch ohne Geschlechtspartner vermehren zu können“, erklärt Michael Nickel von der Jenaer Universität. „Im Falle des Schwamms Tethya wilhelma geschieht dies durch Knospung.“ In der aktuellen Arbeit untersuchten sie gemeinsam mit Physikern des GKSS Forschungszentrums am Deutschen Elektronen Synchrotron (DESY) die asexuelle Entwicklung der Schwämme.
Die Physiker des GKSS erzeugten dafür am DESY mit Hilfe der Röntgen-Microtomographie dreidimensionale Datensätze der sich entwickelnden Knospen des Schwammes. „Dank des äußerst brillianten Röntgenlichts aus der Synchrotronstrahlung am DESY konnten wir die feinen Strukturen der weniger als einen Millimeter großen Knospen erstmals dreidimensional und hochaufgelöst erfassen“, erklärt Jörg Hammel. Der Doktorand in der Arbeitsgruppe von Nickel hat die 3D-Daten, sowie weitere Licht- und elektronenmikroskopische Aufnahmen untersucht.
Knospen keine unspezifische Auswachsung
Dabei machte der Wissenschaftler eine überraschende Entdeckung: Die Entwicklung der Knospen und Körperstrukturen des Schwammes laufen in einer charakteristischen morphologischen Sequenz ab. Das Weichgewebe, das Skelett aus mikroskopischen Glasnadeln und das Wasserleitungssystem, mit dem der Schwamm Nahrung aus dem Wasser filtriert, entstehen in einer festgelegten zeitlichen Abfolge. „Dies widerspricht der bisherigen Ansicht, dass die Knospung bei Schwämmen als unspezifische Auswachsung des Gewebes der erwachsenen Schwämme anzusehen ist“, so Hammel.
Entwicklung ähnlich der sexuellen
Damit ähnelt die morphologische Entwicklungssequenz der Knospen der Entwicklung eines Jungschwammes aus einer Schwammlarve in der sexuellen Vermehrung. „Der Schluss liegt nahe, dass sexueller und asexueller Vermehrung in Schwämmen ähnliche oder teilweise identische genetische Regulationsprinzipien zu Grunde liegen, die einen gemeinsamen evolutionären Ursprung besitzen“, resümiert Nickel.
Weiterführende Arbeiten sollen nun klären, ob die asexuelle Entwicklung in Schwämmen durch dieselbe Gruppe von Genen gesteuert wird, die in anderen – evolutionär später entstandenen Tiergruppen – deren sexuelle Entwicklung regulieren.
(Universität Jena, 14.09.2009 – NPO)