Geowissen

„Inaktive“ Verwerfungen bewegen sich doch

Erstmals stetige Verschiebung bei tektonischer Störung mit flachen Bruchkanten nachgewiesen

Antenne zum Empfang von GPS-Signalen in einem Geodäsie-Netzwerk in Norditalien © Sigrun Hreinsdottir

Viele Verwerfungen im Untergrund sind notorische Erdbebenherde. Doch ein Typ, eine Störung mit sehr flachen Bruchkanten, galt bisher als inaktiv. Jetzt aber haben amerikanische Forscher an einer Verwerfung unter der italienischen Stadt Perugia nachgewiesen, dass der Untergrund auch bei diesen Verwerfungen langsam aber kontinuierlich in Bewegung ist. Wie sie in der Fachzeitschrift „Geology“ schreiben, besteht jedoch kaum Erdbebengefahr.

Prinzipiell sind alle Brüche und Verwerfungen in der Erdkruste potenzielle Erdbebenherde, denn hier bewegen sich Teile der tektonischen Platten gegeneinander oder aneinander vorbei. Doch hielten die meisten Geologen Verwerfungen mit sehr flachen Bruchwinkeln für harmlos und eher inaktiv und unbeweglich. Eine dieser Verwerfungen, die Alto Tiberina Störung, liegt direkt unterhalb der italienischen Stadt Perugia. Seit Jahrzehnten debattieren Wissenschaftler darüber, ob diese und ähnliche Störungen überhaupt tektonische Verwerfungen sind, da sie bisher keine Erdbeben zu erzeugen schienen.

GPS-Messnetz um Perugia

Doch jetzt haben Forscher der Universität von Arizona in Tucson definitive Belege dafür vorgelegt, dass diese Verwerfungen sehr wohl aktiv sind. In einer Studie analysierten sie die Gesteinsbewegungen unter und um die Stadt herum mithilfe eines 2005 installierten GPS-Messnetzes. Die 19 in einem 30 Kilometer-Radius um Perugia installierten Sensoren lieferten Aufschluss darüber, ob und wie viel sich die einzelnen Empfänger im Laufe mehrerer Jahre gegeneinander verschoben.

2,4 Millimeter Verschiebung pro Jahr

Das Ergebnis war überraschend: „Wir können zeigen, dass sich die Alto Tiberina-Störung unter Perugia ständig bewegt – glücklicherweise ohne große Erdbeben zu erzeugen“, erklärt Richard A. Bennett, Assistenzprofessor für Geowissenschaften an der Universität von Arizona. Immerhin 2,4 Millimeter bewegen sich die beiden Teile des Untergrunds pro Jahr aneinander vorbei. Ein solches langsames Kriechen sei sehr ungewöhnlich, so Bennet. Bisher jedoch seien die technischen Mittel nicht ausgereift genug gewesen, um so kleine Verschiebungen genau messen zu können.

Keine Erdbebengefahr durch stetiges Gleiten

Bei den meisten Verwerfungen verhaken sich die Gesteinsränder ineinander, so dass sich Spannung aufbaut. Die löst sich dann mit einem großen Ruck – ein Erdbeben. Doch genau das findet bei der Alto Tiberina-Störung nicht statt. Möglicherweise hat genau diese langsame aber stetige Bewegung Perugia die letzten 2.000 Jahre vor einem Erdbeben bewahrt. „Um ein Erdbeben zu verursachen, braucht man Spannung im Gestein“, erklärt Sigrún Hreinsdóttir, Mitarbeiterin der Studie. Wenn sich die Ränder der Verwerfung aber nicht verhakten, sondern stetig aneinander bewegen, baut sich eine solche fatale Spannung gar nicht erst auf.

„Diese Studie ist ein weiteres Puzzlestück um die seismischen Gefahren dieser Region besser zu verstehen“, erklärt Hreinsdóttir. „Und es könnte auch auf andere Regionen der Erde zutreffen, die ebenfalls Störungen mit geringen Bruchwinkeln besitzen.“ Nach Angaben der Forscherin existieren zahlreiche solcher vermeintlich inaktiver Verwerfungen im Westen der USA, in Italien, Griechenland oder Tibet.

(University of Arizona, 01.09.2009 – NPO)

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